Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis
sie, sie musste sofort weiterlaufen, um so weit wie möglich von diesem Ort fortzukommen, und würde sich erst ausruhen können, wenn die Frucht irgendwo in Sicherheit war. Sie nahm ihre letzten Kräfte zusammen und schleppte sich den Hügel hinunter, den sie mit Lidja kurz zuvor hinaufgewandert war.
In der Höhle rappelte Nida sich auf und rückte sich unwirsch die Kleider zurecht. Dass sie es hier mit einer Drakonianerin zu tun hatte, war offensichtlich, aber so stark hatte sie sie nicht erwartet. Trotzdem durfte sie nicht scheitern, wenn sie nicht den Zorn ihres Herrn zu spüren bekommen wollte. Allerdings flüchtete gerade jemand mit der Frucht durch den Gang, und so entkräftet, wie der Unterjochte war, würde es ihm wahrscheinlich nicht gelingen, sie wieder herbeizuschaffen. Sie musste sich beeilen.
Hell strahlte das Auge des Geistes auf der Stirn des Mädchens, das sich da vor ihr aufgebaut hatte. Wahrscheinlich war sie erst kürzlich erweckt worden und beherrschte ihre Kräfte daher noch nicht vollkommen. Zudem waren ihre Flügel noch unterentwickelt.
» Mach den Weg frei! Du interessierst mich nicht«, fuhr Nida sie an.
Lidja lächelte. Jeder einzelne Knochen im Leibe schmerzte, aber das war unwichtig. Worauf es ankam, war nur, dass die Frucht in Sicherheit gebracht wurde und zum Professor gelangte. » Du solltest dich aber schon für mich interessieren«, höhnte sie, » denn um hinauszugelangen, musst du mich erst einmal bezwingen.«
Nida lächelte spöttisch. Das Mädchen wusste offenbar nicht, was es da faselte.
Der Angriff kam urplötzlich, reichte aber nicht aus. Ein Felsblock löste sich von der Höhlenwand, schoss auf Nida zu und traf sie im Nacken. Ein tödlicher Schlag für eine Sterbliche, aber nicht für sie. Der Felsblock zerbarst an der schwarzen Flamme, die sie um ihren Körper herum auflodern ließ. » Verzieh dich«, zischte sie.
Nach diesem Angriff begriff Nida, mit wem sie es hier zu tun hatte. Rastaban. Das Mädchen, das da immer noch lächelnd vor ihr stand, musste die Schläferin sein, die Rastaban in sich trug.
» Du hast nichts zu befürchten « , sagte sie sich. » Rastaban war der Erste, den er besiegte. Vor Thubans Augen, der machtlos zusah, zerfleischte er ihn. Du musst sie aufhalten, bevor sie sich an alles erinnert, andernfalls werden sich ihre Kräfte vollends entfalten. «
Da bemerkte sie, dass die Höhlendecke über ihr Risse bekam und mehr und mehr zersprang, während das Mal auf Lidjas Stirn immer greller strahlte. Schon stürzten die ersten Brocken herab und schlugen auf Nida ein, sie ging in die Knie, während Stein auf Stein auf sie herabprasselte und sich daraus ein gewaltiger Berg auftürmte. Lidja beobachtete es, und obwohl nicht nur ihr Körper, sondern auch ihr Geist völlig erschöpft war, zwang sie sich, nicht nachzulassen, bis in der Höhle völlige Stille herrschte.
Lidja keuchte. Da hörte sie plötzlich ein leises Kreischen. Schon löste sich der erste Stein aus dem Haufen, dann noch einer und wieder einer. Es donnerte, schwarze Flammen loderten empor, und Nida tauchte aus dem Steinhaufen auf, eine furchterregende Erscheinung, das Gesicht zu einer unmenschlichen Grimasse verzerrt.
» Glaubtest du wirklich, ich lass mich so leicht bezwingen?«, rief sie mit einem spitzen Lachen.
Nichts wie fort, dachte Lidja, während das Licht auf ihrer Stirn schwächer wurde.
Unaufhaltsam rückte Nida näher. » Es ist vorbei«, zischte sie.
Sie hob die Hand und blickte Lidja eine Weile in die Augen. Die Zeit schien stillzustehen. Wieder züngelten schwarze Flammen auf, umspielten ihren Arm, wurden immer mächtiger, während das Schwarz mehr und mehr in ein Violett überging. Lidjas Augen weiteten sich vor Entsetzen.
Jetzt öffnete Nida ihre Handfläche und sofort breiteten die Flammen sich aus und verbrannten alles um sie herum. Völlig eingehüllt vom Feuer, krümmte sich Lidja, darauf gefasst, der unerträglichen Hitze der Flammen zu erliegen. Doch sie brannten nicht. Die Flammen waren eiskalt. Was sie spürte, war eine entsetzliche, tödliche Kälte, die in die Knochen kroch, alle Gedanken lähmte und sie ihrer letzten Kräfte beraubte. Ihre durchscheinenden Flügel auf dem Rücken fingen Feuer und einen Moment lang sah sie wie ein von Flammen umloderter Dämon aus. Sie schrie vor Schmerz, flehte, dass es vorbei sein möge, dass die Bewusstlosigkeit sie erlöse. Aber Nida ließ nicht locker. Sie wartete, bis Lidjas Flügel ganz verzehrt und das Auge des
Weitere Kostenlose Bücher