Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
Nachfahren. Über Jahrhunderte. Jahrtausende. Dabei hat er sich aber nie zu erkennen gegeben. Erst als Thubans Geist in diesem Mädchen wiedergeboren wurde, gegen das du gekämpft hast, ist er erwacht. Und hat ihm all seine Kräfte übertragen.«
Fabios Herz setzte einen Schlag aus, bevor er sich traute zu fragen: »Und ich? Wer bin ich?«
»Du bist wie sie.«
»Soll das heißen, in mir steckt auch ein Drache?«
»Ja, auch du bist ein Schläfer. Aber anders als Thuban hast du dich damals dafür entschieden, mir zu dienen und an meiner Seite gegen deine Artgenossen zu kämpfen. Du warst einer meiner tapfersten und treuesten Krieger. Vielleicht der Beste, den ich hatte.«
Fabio spürte, wie sich in seinem Kopf alles zu drehen begann. »Das heißt also, meine Kräfte …«
»Ja, deine Kräfte, deine Fähigkeiten, sind die dieses Drachen. Und alles, was du getan hast, alles, was in deinem unbedeutenden Leben geschehen ist, war darauf ausgerichtet, dich zu mir zu führen und dir deine wahre Bestimmung zu offenbaren.«
Etwas Erschreckendes steckte in dieser Eröffnung, etwas, das Fabio erstarren ließ. Jede Episode seines Lebens schien plötzlich einen Sinn zu bekommen. Sogar der Tod seiner Mutter und die Tatsache, dass sein Vater die Familie verlassen hatte, erklärten sich so, denn diese Ereignisse hatten ihn näher zu Nidhoggr geführt.
›Das war es doch, was du immer gesucht hast‹, sagte er sich. ›Das ist die Antwort, die Erklärung für deine außergewöhnlichen Kräfte und deine schwarze Seele. Stell dich nicht so an! Warum passt dir diese Wahrheit nicht?‹
Er dachte an den Traum, an die Klaue, die er gesehen hatte. Eine Drachenklaue. Seine Klaue.
»Du solltest stolz sein auf deine Herkunft und auf den Weg, der dich zu mir geführt hat«, fuhr Nidhoggr fort. »Wenn meine Wiederkehr vollendet ist, wirst du an meiner Seite sein. Ich werde dich zum König machen, und deine Untertanen werden dir blind gehorchen.«
Fabio blickte wieder zu dem Lindwurm auf, dessen Augen hasserfüllt waren, und spürte seine grenzenlose Macht.
›Ich werde wie er sein …‹, dachte er, und es graute ihm.
»Aber bis es soweit ist, habt ihr noch eine Menge zu tun«, fügte Nidhoggr an seine Diener gewandt hinzu. »Das Wichtigste ist der Baum. Ihr müsst den Baum finden.«
»Welchen Baum?«, fragte Fabio, immer noch benommen.
»Den Walnussbaum, jenen Baum, bei dem sich die Verkörperungen unserer Feinde versammelten, jenen Baum, der aus dem Saft des Weltenbaums entstanden ist. Auch wenn er schon vor Jahrhunderten gefällt wurde, gibt es ihn immer noch, denn ich spüre seine widerliche, heilende Kraft. Wenn ihr ihn gefunden habt, werden wir den Ritus vollziehen. Denn der Baum birgt ein mächtiges Artefakt. Ein Artefakt, das mich der Rückeroberung dieser Welt näherbringen wird.« Nidhoggr wandte Ratatoskr den Blick zu. »An dir ist es nun, ihn zu finden.«
Als Zeichen der Zustimmung verneigte sich Ratatoskr tief. »Verlasst Euch auf mich. Ich werde nicht scheitern.«
Dann wandte sich der Lindwurm wieder an Fabio: »Du musst die Schläferin finden. Ich bin sicher, dass Thuban nicht allein ist. Gewiss ist Rastaban an seiner Seite.«
»Ist das auch ein Drache?«
»Ja. Auch er hat sich in einem kleinen, erbärmlichen Menschenkind verkrochen.«
Fabio erinnerte sich an die wunderschöne Akrobatin, deren Auftritt er im Zirkus bewundert hatte. Er hatte sie zusammen mit dem tollpatschigen Mädchen gesehen, das ihm in die Quere gekommen war. Aus irgendeinem Grund war er sich sicher, dass sie es sein musste. »Und was mache mit ihnen, wenn ich sie gefunden habe?«
»Du musst verhindern, dass sie vor uns zu dem Baum gelangen. Aber greife sie nicht an, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Folge ihnen, sieh zu, wie sie sich bei der Suche nach dem Baum aufreiben, und bringe sie dann um den Lohn ihrer Mühen.«
Fabio nickte.
»Der Augenblick ist nahe«, tönte Nidhoggr, während er sich langsam auflöste und wieder ins Nichts eintauchte. »Der Augenblick meiner Wiederkehr ist nahe!«
Dann verschluckten ihn die Schatten, woraufhin auch die Dunkelheit verschwand, und um sie herum schälte sich der trostlose Anblick der Schlucht heraus. Fabio verschränkte die Arme vor der Brust. Wieder war ihm furchtbar kalt.
»Wir bleiben in Verbindung. Auf dem üblichen Weg«, sagte Ratatoskr. »Und pass auf, dass sie dir nicht entwischen, während du sie ausspionierst.«
»Du unterschätzt mich mal wieder, Alter«, wehrte sich
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