Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
werden.«
Tatsächlich ging es ihr bald merklich besser. Die Verbrennungen, Hautabschürfungen und tieferen Wunden, die sie sich im Kampf und auf der Flucht zugezogen hatte, heilten schneller als erwartet. Nur die Schulter machte ihr noch weiter Sorgen.
»Deine Kräfte nehmen immer noch zu«, erklärte ihr der Professor. »Thuban in dir wird stärker und stärker, mit der Folge, dass du dich schneller erholst, als das einem normalen Menschen möglich ist.«
»Und warum ist das bei meiner Schulter anders?«, fragte Sofia.
»Wahrscheinlich weil die Wunde dort durch die Klinge des Feindes infiziert wurde. Ein normaler Mensch, der so schwer von einem Unterjochten verwundet wird, würde das nicht überleben.«
Sofia war sprachlos.
Viel Zeit darüber nachzugrübeln hatte sie aber nicht, denn an ihr Krankenbett kam nach und nach fast die gesamte Zirkusfamilie zu Besuch. Der Professor hatte sich eine Geschichte ausgedacht, mit der sich Sofias Zustand nach dem Kampf rechtfertigen ließ. Die Drachenschwester wusste nicht genau, was er ihnen erzählt hatte, doch alle redeten von einem mysteriösen Angreifer. Sie selbst nickte nur und erklärte, dass sie sich an nichts erinnern könne.
»Ja, sicher, das kommt von dem Schock. Du Ärmste, das muss furchtbar gewesen sein …«, seufzte Martina mit glänzenden Augen.
Nur Alma schien die Wahrheit zu kennen. Ungeachtet der Einwände des Professors versorgte sie Sofia mit verschiedenen Kräutertees und -umschlägen.
»Ich behandele sie bereits mit sehr viel wirksameren Arzneien«, versuchte der Professor ihr freundlich beizubringen.
»Mag sein, aber deswegen muss man doch nicht auf die guten alten Hausmittel verzichten«, ließ sie sich nicht beirren. »Du hattest mir deine Tochter anvertraut, und während sie in meiner Obhut war, ist sie in Lebensgefahr geraten. Da muss ich doch wenigstens versuchen, ihre Genesung zu unterstützen.«
Sie setzte sich immer mal wieder zu Sofia ans Bett, um ihr Gesellschaft zu leisten, doch sehr viel hatten sie sich nicht zu sagen. Vielleicht auch, weil das Mädchen ein schlechtes Gewissen hatte. Im Grunde hatte sie Alma hintergangen. Sich so davonzuschleichen, ohne jemandem Bescheid zu sagen, war richtig gemein von ihr gewesen.
Am schwierigsten war es aber mit Lidja. Mit Leichenbittermiene war diese gleich am ersten Tag bei ihr im Wohnwagen erschienen.
»Was hast du dir bloß dabei gedacht?«, fuhr sie Sofia an.
»Wieso? Ich habe gesehen, wie sich der Typ im Kreuzgang der Kirche herumgeschlichen hat. Da musste ich ihm einfach folgen.«
»Ich hatte dir doch gesagt, dass du vorsichtiger sein musst. Schon bei der alten Frau bist du so leichtsinnig gewesen. Aber du willst ja immer nur deinen Kopf durchsetzen.«
»Was hätte ich denn tun sollen?«, verteidigte sich Sofia.
»Mir Bescheid sagen. Oder ihn nur weiter beobachten.«
»Das wollte ich eigentlich auch. Aber wenn dir ein Unterjochter über den Weg läuft, würdest du nicht auch versuchen, ihn aufzuhalten?«
»Ja, aber nicht allein. Genau deshalb sind wir doch zu zweit, um uns gegenseitig zu helfen. Nur zusammen sind wir stärker als sie.«
»Aber wie hätte ich dir denn Bescheid sagen sollen?«
Lidja schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, aber das ist auch egal. Jedenfalls hättest du nichts auf eigene Faust unternehmen dürfen. Du siehst schlimm aus.«
Sofia wandte den Blick ab. Eigentlich war sie immer noch überzeugt, dass sie richtig gehandelt hatte. Andere Möglichkeiten hatte es nicht gegeben. Eine Weile schwiegen beide.
»Ich hab mir so wahnsinnig Sorgen um dich gemacht«, gestand Lidja dann leise.
Sofia spürte, wie sich etwas in ihr löste. »Das tut mir leid … Das tut mir echt leid.«
»Warum hast du dich überhaupt noch so lange draußen herumgetrieben? Warum bist du nicht gleich heimgekommen? Die Bibliothek hatte schon eine Stunde zu und du warst noch nicht zurück. Da bin ich unruhig geworden. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich bin durch die Stadt gelaufen und habe überall gesucht, wirklich überall, ich hab Leute auf der Straße angesprochen, hab in Bars gefragt, in Geschäften. Nirgendwo eine Spur von dir.«
Sofia drückte Lidjas Hand. »Verzeih mir … Es war nur so … Na ja, als ich aus der Bibliothek kam, war es noch gar nicht so spät, und ich hatte mir doch dieses Buch ausgeliehen und wollte unbedingt weiterlesen, und deshalb …«
»Ich weiß echt nicht, was mit dir los ist, Sofia. In den letzten Tagen verhältst du dich so seltsam, und jetzt
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