Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
ihn nennst, der es haben will.«
»Er ist auch dein Herr.«
»Nein, ich arbeite nur für ihn. Aber ich diene ihm nicht.«
Ratatoskr blickte ihn hasserfüllt an und streckte drohend den Finger gegen ihn aus.
»Wenn du mir etwas vorgemacht hast …«
»Für wie blöd hältst du mich, Alter?« Fabio ließ das Fläschchen vor Ratatoskrs Augen hin und her schwingen. »Hier ist es. Allerdings hat es mich einige Mühe gekostet, es mir zu holen, und mir eine ätzende Wunde am Bein eingetragen. Aber das werde ich gleich deinem Herrn erzählen.«
Kaum hatten sie die Formel gesprochen, da nahm die Dunkelheit alles ein, verschluckte sogar alle Geräusche, und in dieser lautlosen Finsternis zeichnete sich nach und nach Nidhoggrs entsetzliches Antlitz ab.
»Nun? Ihr habt mich gerufen?«
»Ja, ich habe es gefunden«, antwortete Fabio. »Das Fläschchen, hinter dem Ihr her seid. Es war genau dort, wo ich gesagt habe.«
Die Züge des Lindwurms erstrahlten in niederträchtiger Freude. »Du hast das Vertrauen gerechtfertigt, das ich in dich gesetzt habe. Zeige es mir.« Der Junge öffnete seine Hand.
Nidhoggr blickte verträumt. »Wie lange ist das her? Schreckliche Erinnerungen werden wach. An Schmerzen, Blut, Niederlagen … Aber ich werde sie alle ungeschehen machen, denn dank dieses Fläschchens rückt meine Wiederkehr näher.«
Bei dem Gedanken, wie Nidhoggr damals in Fleisch und Blut ausgesehen haben mochte, lief Fabio ein Schauer über den Rücken. Einen Augenblick lang, nur einen kurzen Augenblick, überlegte er, das Fläschchen zu behalten und einfach davonzufliegen. Aber das war unmöglich. Die Rache dieses Ungeheuers würde unvorstellbar grausam sein. Außerdem war er der einzige Verbündete, den er auf der Welt besaß. »Jemand ist mir gefolgt, als ich es mir geholt habe«, sagte er.
Schlagartig erlosch das Lächeln in Nidhoggrs Miene. »Wer?«
»Ein Mädchen namens Sofia. Sie trägt ein Mal auf der Stirn, ganz ähnlich wie meins. Nur ist es grün. Und außerdem hat sie Drachenflügel.«
Die Luft um sie herum begann zu vibrieren. Fabio und Ratatoskr spürten, wie Nidhoggrs entsetzlicher Zorn sie durchdrang.
»Das kann nicht sein, Herr. Jeden Schläfer, der sich nähert, nehme ich eigentlich wahr …«, versuchte sich Ratatoskr zu rechtfertigen, doch ein heftiger Schmerz durchfuhr ihn und die Worte blieben ihm im Hals stecken. Er schrie und fiel auf die Knie. Fabio neben ihm begann zu zittern.
»Du hast sie nicht bemerkt?! Sie sind hier und suchen nach dem Objekt, das wir um jeden Preis haben müssen, und du hast nichts davon bemerkt?! Sie sind aktiv, durchstreifen die Stadt, und du hast nichts davon bemerkt?!«, brüllte der Lindwurm.
Fabio nahm seinen Mut zusammen. »Wer ist sie?«, fragte er. »Wer ist dieses Mädchen?«
Schweigend starrte Nidhoggr ihn an, und Fabio wartete auf den Schmerz, den ihm der Lindwurm unweigerlich zufügen würde. Er war zu weit gegangen. Diese Frage hätte er nicht stellen dürfen. Das hätte er wissen müssen.
»Sie ist der Feind«, antwortete Nidhoggr überraschend ruhig, »unser größter, mächtigster Feind. Thuban.«
»Aber es ist doch nur ein Mädchen«, erwiderte Fabio verwundert.
»Schon, doch in ihm lebt der Geist eines Drachen.«
»Eines grünen Drachen, oder? Der, gegen den Ihr gekämpft habt?«
Wie durch ein leichtes Beben schien die Luft zu vibrieren, so als würde Nidhoggr noch überlegen und sich seiner Sache nicht sicher sein. »Was weißt du darüber, Junge?«
»Ich habe ihn gesehen«, murmelte Fabio. »Ich habe von ihm geträumt.«
Nidhoggr zögerte immer noch. »Mag sein … Vielleicht hast du tatsächlich von ihm geträumt«, sagte er dann. »Schließlich kanntet ihr euch einmal, vor Tausenden von Jahren.«
»Vor Tausenden von Jahren? Wie soll das gehen?«
»Es war ein grausamer Krieg. Lindwürmer gegen Drachen, es ging um die Eroberung dieser Welt. In einer der Schlachten dieses langen Krieges wurde der Inhalt dieses Fläschchens, das du mir gebracht hast, gesammelt. Weißt du, was es enthält?«
»Nein.«
»Mein Blut. Blut, das aus meinen Wunden rann, als Thuban, der mächtigste aller Drachen, gegen mich kämpfte. Doch er hat seine Anmaßung teuer bezahlt. Ich tötete ihn, und ebenso all die anderen Drachen, einen nach dem anderen …«
»Aber wieso kann er dann …?«
»Daran ist die Magie der Drachen schuld. Thubans Geist ist in den Körper eines Menschen übergegangen, und dann immer weiter, von Generation zu Generation, in jeden seiner
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