Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
ihr gesagt hatte. Sie erzählte den anderen von ihr.
»Wir können nicht ausschließen, dass sie in irgendeiner Verbindung zu ihr steht, dass sie Idhunn gekannt hat oder das Mädchen gar in ihr weiterlebt … Weißt du, wo wir sie finden können?«, fragte der Professor.
Sofia schüttelte den Kopf. »Sie taucht immer ganz plötzlich auf. Ich habe sie zweimal getroffen, an zwei verschiedenen Orten.«
»Kein Problem. Im Moment haben wir noch Wichtigeres zu klären. Erzähl uns doch mal von deiner Begegnung mit dem Unterjochten. Wie kam es dazu?«
Sofia brauchte einen Moment, um sich zu überwinden. Jetzt kam der schlimmste Teil, das, was sie von Anfang an gefürchtet hatte. Sie ballte die Fäuste und begann zu erzählen. Weil sie sich vorgenommen hatte, ganz ehrlich zu sein, schilderte sie lang und breit ihre erste Begegnung mit dem Jungen im Zirkus.
»Ach deswegen war Marcus an dem Abend so sauer«, warf Lidja ein.
Sofia nickte. Dann berichtete sie weiter, dass sie den Jungen vor der Kirche entdeckt hatte und dass sie ihm gefolgt war, weil sie ihn wiedererkannt hatte.
»Warte mal«, unterbrach sie der Professor, wobei er sich vorlehnte. »Du meinst, der Junge hat ganz normal geredet?«
Sofia blickte ihn ernst an. »Ja, Professor, er war total bei Bewusstsein. Völlig anders als der Unterjochte, der mich zu Hause am See überfallen hat, und auch anders als Lidja damals, als sie unter Nidhoggrs Einfluss stand.«
Der Professor wurde unruhig.
»Und es kommt noch schlimmer«, fügte Sofia mit einem Seufzer hinzu und beschrieb dann die Flügel, die zwar zum Teil aus Metall, zum Teil aber auch aus organischem Material zu bestehen schienen. Und dann noch das Mal. »Es war ganz ähnlich wie meins«, erklärte sie und versuchte dabei, das Zittern ihrer Stimme in den Griff zu bekommen. »Es leuchtete auf, als er kämpfte. Und außerdem beherrscht er das Feuer. Er hat meine Lanze in Brand gesteckt und später dann den ganzen unterirdischen Tempel.«
Nun war der Professor richtig alarmiert. »Wie alt ist er wohl?«, fragte er.
Sofia musste sich das Bild des Jungen, seine Gesichtszüge, in Erinnerung rufen. Ihr Magen verkrampfte sich, und ihr Herz machte einen Sprung. »Höchstens ein Jahr älter als ich.«
»Glaubst du, auch Lindwürmer können mit Menschen verschmolzen sein?«, fragte Lidja den Professor. »Oder ist das nur eine neue Art von Unterjochten?«
Der Professor ging nicht auf die Frage ein.
»Bei dem Drakonianer, nach dem ich in den letzten Monaten gesucht habe«, sagte er stattdessen, »handelt es sich jedenfalls um einen fünfzehnjährigen Jungen. Der Drache, der in ihm ruht, heißt Eltanin, und seine besondere Gabe besteht darin, dem Feuer zu gebieten.«
Das Schweigen, das sich im Wohnwagen breitmachte, lastete schwer und legte sich wie eine Glocke über die drei.
»Das geht doch nicht, Prof«, bemerkte Lidja nach einer Weile. »Wäre er einer von uns, würde er nicht mit Nidhoggr gemeinsame Sache machen. Ich meine, er ist schließlich ein Drakonianer!«
»Ich weiß es auch nicht, Lidja. Ich weiß es wirklich nicht. Aber immer das Gute anzustreben, ist den Drakonianern nicht angeboren. Damit will ich sagen, auch Drakonianer sind Menschen, die sich frei entscheiden können, für wen oder welche Ziele sie ihre besonderen Kräfte einsetzen.«
»Aber einmal hat Rastaban doch zu mir gesprochen, und ich bin sicher, dass es seine besonderen Kräfte sind, die mich dazu bringen, mich für den Weltenbaum und die Erde verantwortlich zu fühlen! Es kann nicht sein, dass er Eltanins Stimme in sich nicht beachtet.«
»Nein, Lidja, es ist nicht so, wie du denkst. Auch du hast dich ganz frei entschieden, und ebenso Sofia, die ja sogar eine Zeit lang überlegt hat, unserer Sache den Rücken zu kehren.«
Sofia errötete heftig bei der Erinnerung an die Zeit, als sie gezweifelt hatte.
»Und außerdem …« Professor Schlafen zögerte einen Moment. »Und außerdem war Eltanin ein ungewöhnlicher Drache. Ein Drache, der Verrat begangen hatte.«
Wie ein schwerer Felsblock schlug dieser Satz in ihrer Mitte ein. Sofia verspürte einen Druck auf der Brust, so als quetsche jemand ihr Herz mit eisernem Griff zusammen. Einerseits war er so wie sie, und vielleicht hatte sie sich deshalb in ihn verliebt. Andererseits konnte er nicht verschiedener sein von ihr und den anderen Drakonianern. Denn er hatte sich ganz bewusst für das Böse entschieden.
»Was heißt das denn genau, er hat Verrat begangen?«, wollte sie
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