Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
bockig«, sagte der Professor seelenruhig.
Sofia hatte ihre Zweifel. Sie wusste, dass der Professor leidenschaftlich für alles Antiquarische schwärmte, ganz im Gegensatz zu ihr, die kein besonders großes Vertrauen zu Gegenständen hatte, die in die Jahre gekommen waren.
»Na bitte, wer sagt’s denn?«, brummte der Professor zufrieden, als der Motor endlich zu rattern begann.
Der Wagen vibrierte und schaukelte so heftig hin und her, dass Sofia sich am Sitz festhalten musste. »Oje, dass kann ja heiter werden …«, flüsterte sie, halb besorgt, halb im Scherz, Lidja zu. Die Freundin antwortete mit einem angedeuteten Lächeln.
»So, seid ihr bereit?«, rief der Professor nach hinten.
»Ja, klar, von uns aus kann’s losgehen«, antwortete Lidja, während Sofia nur vorsichtig nickte.
Professor Schlafen legte den ersten Gang ein, und schon brausten sie los, mit ungeahnter Geschwindigkeit und einer für solch einen Oldtimer tadellosen Straßenlage. Die Sorge wegen des Zustands des Wagens ging bei Sofia immer mehr in pure Angst vor dem Tempo über. Denn der Professor fuhr, harmlos ausgedrückt, wie ein Wahnsinniger. Abrupt riss er das Lenkrad herum, bremste hektisch und beschleunigte unvermittelt: Er beherrschte das gesamte Rennfahrer-Repertoire eines Sportfahrers.
»Ich habe mir gestern auf einem Zettel alle Orte notiert, wo sich der Nussbaum befinden könnte. Dann habe ich noch auf einen Sprung in der Bibliothek vorbeigeschaut und etwas sehr Interessantes herausgefunden«, sagte der Professor irgendwann. Dabei drehte er sich zu den beiden Mädchen um und zeigte ihnen einen Zettel, den er zwischen Zeige- und Mittelfinger hielt.
»Prof, die Straße!«, schrie Sofia.
»Keine Angst, keine Angst«, erwiderte er, während er das Lenkrad wieder mit beiden Händen umfasste und es brüsk zu einer Seite zog. Auf die Rückbank hatte er ein zweimal gefaltetes Blatt Papier fallen lassen.
Lidja nahm es und öffnete es. Es war eine Karte.
»Die wurde von einem gewissen Pietro Piperno gezeichnet, einem Gelehrten aus dem 17. Jahrhundert, der über das Hexenwesen in Benevent geforscht hat. Er hat aufgezeichnet, wo der Nussbaum zu finden sein müsste. Ich denke, das ist viel mehr als nur ein Hinweis.«
»Ja, natürlich. Das ist ja fantastisch«, jubelte Lidja.
»Dort beginnen wir mit unserer Suche«, verkündete der Professor.
Sie mussten nicht lange fahren. Kurz hinter der Stadt, dort wo die Häuser allmählich in ordentlich bestellte Felder übergingen, bog der Professor in eine ungepflasterte Straße ein, und wenig später erreichten sie den Ort, der auf der Karte verzeichnet war: Es war eine brachliegende Fläche, die wahrscheinlich als Weide genutzt wurde.
Der Professor bremste scharf, hielt an und forderte die Mädchen zum Aussteigen auf. Die schauten sich ratlos um: Sie hatten etwas Geheimnisvolleres erwartet, oder zumindest etwas Schöneres, aber vor ihnen lag nur eine platte Wiese. Von einem Nussbaum weit und breit keine Spur.
»Aber Prof, hier ist doch überhaupt nichts«, wunderte sich Sofia.
»Na wenn schon. Wir haben es doch mit einem magischen Baum zu tun. Da ist es doch egal, ob er tatsächlich zu sehen ist«, erwiderte er.
»Schon … Aber wenn er nicht zu sehen ist, wie sollen wir ihn dann finden?«, fragte Lidja misstrauisch.
»Ich habe mir dazu folgende Theorie überlegt«, erklärte der Professor. »Der Nussbaum konnte nur durch die Frucht wachsen, die irgendwo in seiner Nähe verborgen ist. Das heißt, er selbst oder die Aura, die er hinterlassen hat, müsste mit euren Amuletten in Verbindung treten, weil sie aus dem Saft der Knospe gefertigt wurden. Ähnlich wie bei dem Anhänger, den wir auf dem Grund des Albaner Sees gefunden haben und der uns dann zur ersten Frucht geführt hat.«
Sofia zog die Halskette unter dem Pulli hervor. Das Amulett war so wie immer und schien nicht aktiviert worden zu sein.
»Da tut sich aber nichts, Prof.«
»Ihr müsst euch konzentrieren«, erwiderte er. »Lauft ein wenig herum, sucht hier und dort, dann schauen wir, was passiert.«
Sofia und Lidja sahen sich wieder ratlos an.
»Ja, ja, ich weiß«, seufzte der Professor. »Es ist ein wenig so wie die berühmte Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Aber mehr haben wir nicht in der Hand. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns auf die dürftigen Hinweise zu stützen. Versucht es wenigstens und gebt euer Bestes.«
Sofia lächelte schwach. »Los, komm«, rief sie, wobei sie Lidja einen Klaps auf die Schulter
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