Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
versetzte und sich bemühte, eine selbstsichere Miene aufzusetzen. »An die Arbeit!«
Während sie herumsuchten, fragte Lidja sie irgendwann mit leiser Stimme: »Sag mal. Hast du echt alles vom Kampf gegen Fabio erzählt? Oder verschweigst du uns etwas?«
Sofia tat so, als habe sie die Worte nicht gehört, und lief weiter suchend auf der Wiese herum.
Lidja wartete eine Weile, bis sie irgendwann die Geduld verlor. »Mensch Sofia, ist das so schrecklich? Sag doch, was ist dir denn bloß passiert?«
Sofia konnte nicht länger schweigen. »Es ist nicht nur, was er getan hat … Klar, er ist stark, das muss ich schon zugeben, und wie er das Feuer beherrscht, macht mir Angst. Vor allem bei meiner besonderen Gabe: Du hättest mal sehen sollen, wie schnell der meine Lanze verbrannt hat. Aber er ist nicht unschlagbar.«
»Ja und?«
»Na ja, was mir echt zu schaffen macht, ist, dass er so ist wie wir.«
Lidja blickte zu einer Baumgruppe. Aber auch da war kein Nussbaum zu entdecken. »Klar, darüber habe ich auch schon nachgedacht.«
»Ja, er hat das gleiche Mal wie wir, und auch seine Flügel sind praktisch wie unsere. Er ist bestimmt ein Drakonianer … Bloß, warum bekämpft er uns? Was ist da passiert?«
»Der Professor hat es uns doch erklärt«, antwortete Lidja schlicht.
So wäre Sofia auch gerne gewesen: immer mit beiden Beinen am Boden und fähig, sich emotional nicht so einfach in etwas hineinziehen zu lassen.
»Wir müssen lernen, dass Verbündete manchmal zu Verrätern werden können«, fuhr Lidja fort. »Thuban und Rastaban haben das vor uns auch durchgemacht. Mit Eltanin. Glaub nicht, dass die Sache mich kalt lässt. Ich bin auch traurig darüber. Aber das ist ein Krieg, und im Krieg geschehen nun mal entsetzliche Dinge.« Sie lächelte. »Schon als kleines Mädchen habe ich gelernt, niemandem blind zu vertrauen, denn bei den meisten Menschen sind Leute wie ich und meine Familie nicht gern gesehen. Manche Menschen wirken nur auf den ersten Blick anständig, sind es in Wirklichkeit aber nicht. Und auch unter Drachenflügeln kann ein finsteres Herz schlagen.«
Sofia spürte, wie ihr die Tränen aufstiegen. Was sie jetzt brauchte, war eine Art Absolution, und dazu musste sie die Wahrheit erzählen: Sie wollte von Lidja hören, dass es nicht ihre Schuld war, wenn sie Fabios schönem Äußeren, vor allem seinen Augen, geglaubt und sich, gegen jede Vernunft, so heftig in ihn verknallt hatte.
Lidja bemerkte die Tränen, die ihr in den Augen standen. »Das ist noch nicht alles, oder? Erzähl doch, was dich bedrückt!«
Sofia wandte den Blick ab. »Nein, ich habe nur …«, wehrte sie ab, aber auch ihre Stimme hörte sich weinerlich an.
Lidja beugte sich so weit vor, dass sie ihrer Freundin ins Gesicht schauen konnte. »Was ist denn wirklich an dem Abend passiert?«
Sofia schaffte es nicht, diesem Blick auszuweichen. »Ich weiß es auch nicht … Es war ein Kampf, nichts weiter als ein Kampf … Aber … Ach, wie soll ich das erklären? Irgendetwas hat dieser Typ mit mir gemacht … Vielleicht ein Zauber oder etwas Ähnliches …« Sie hielt einen Moment inne. »Nein, ich kann dir das echt nicht erklären.«
»Es gibt also ein Geheimnis zwischen uns? Seit Tagen quält und bedrängt dich etwas so sehr, dass du gar nicht mehr du selbst bist. Aber du kannst es mir nicht erzählen. Mit anderen Worten, du vertraust mir nicht.«
Sofia schluckte. »Doch, schon … Es ist nur so, dass mir dieser Typ auf Anhieb unheimlich gut gefallen hat. Ich hab mich in ihn verknallt.«
Sie sagte das in einem Atemzug und merkte dann, dass sie der Freundin nicht mehr ins Gesicht schauen konnte.
Lidja überlegte einige Augenblicke. »Es ist nicht deine Schuld«, erklärte sie schließlich.
»Meinst du?«
»Ja, das liegt doch auf der Hand.«
»Aber er ist doch ein … Feind. Ich hätte ihn mir sofort aus dem Kopf schlagen müssen, als ich die Implantate in seinem Nacken gesehen habe. Aber trotzdem habe ich immer weiter an ihn gedacht, die ganze Zeit, jetzt denke ich immer noch an ihn. Ist dir so was auch schon mal passiert?«
»Nein. Aber ich habe schon einen Haufen Leute erlebt, denen das passiert ist. Das lässt sich nicht kontrollieren. Dagegen kannst du nichts tun … Unsere Gefühle gehorchen uns nicht. Wenn sie kommen, machen sie mit uns, was sie wollen.«
Sofia richtete sich auf und schaute in den Himmel. »Was soll ich denn jetzt bloß tun?«
»Zunächst einmal musst du aufhören, dich schuldig zu fühlen. Dass du
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