Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
dich ihm verbunden fühlst, ist gar nicht so unnormal. Eltanin hat auch in Drakonien gelebt und kannte Thuban und Rastaban. Ich bin sicher, dass er sehr viel mit ihnen geteilt hat. Bestimmt gab es ein festes Band zwischen ihnen, etwas tief Verwurzeltes, das er dann mit seinem Verrat zerstört hat. Trotzdem ist und bleibt er, und damit auch Fabio, einer von uns.«
»Und meinst du, dass er … seine Einstellung wieder ändern könnte?«, fragte Sofia mit neuer Hoffnung.
»An so was darfst du gar nicht denken«, holte Lidja sie auf den Boden zurück.
»Warum denn nicht?«
»Weil du dir nur selber wehtust, wenn du diese Gefühle weiter fütterst. Jemandem zu vertrauen, der das Vertrauen nicht verdient, jemandem sein Herz zu schenken, der es leicht mit Füßen tritt, rächt sich immer. Und das tut weh, sehr, sehr weh.«
»Du hast das selbst erlebt, oder?«, murmelte Sofia.
Lidja antwortete nicht gleich.
»Ja, es gab mal eine Zeit, da habe ich jemandem sehr vertraut. Immer wieder, und immer habe ich gehofft, dass es dieses Mal anders sein würde … Aber es hat sich nie etwas geändert. Und erst als dieser Mensch aus meinem Leben verschwunden ist, habe ich meinen Seelenfrieden wiedergefunden.«
Sofia fragte nicht nach, sondern wartete, dass die Freundin von selbst weitererzählen würde.
»Ich rede von meinem Großvater«, fügte Lidja endlich hinzu, wobei sie den Blick abwandte. »Er kam und ging, wie er Lust hatte, und machte meiner Großmutter und mir tausend Versprechungen. Dass er dieses Mal bleiben würde, dass wir glücklich zusammenleben würden. Aber er nahm uns nur auf den Arm. Leider habe ich ihm geglaubt und ihn fest ins Herz geschlossen. Besonders als meine Großmutter gestorben war, suchte ich seine Nähe, und er versprach mir, jetzt für immer bei mir zu bleiben, meine Familie zu sein … Er war sogar so dreist, mir dieses Versprechen an Großmutters Grab zu geben. Und dann war er kurz darauf plötzlich wieder verschwunden. Diesmal für immer.« Sie fuhr herum und schaute Sofia fest in die Augen. Mit traurigem, doch entschlossenem Blick. »Erst als ich aufgehört habe, darauf zu hoffen, dass er zurückkommen und sein Versprechen halten würde, ging es mir besser. Verstehst du? So musst du es machen. Du musst versuchen, nicht mehr an ihn zu denken. Du musst ihn vergessen. Er ist nur noch ein Feind. Anders darfst du ihn nicht sehen. Vergiss sein Gesicht, und erinnere dich nur daran, wie du gegen ihn gekämpft hast. Etwas anderes bleibt dir gar nicht übrig.«
Sofia nickte. Doch im Grunde ihres Herzens wusste sie, dass ihr das niemals gelingen würde.
Als sie sich gegen Mittag wieder beim Auto einfanden, machten alle drei lange Gesichter. Der Professor stöhnte über seinen steifen Rücken, Lidjas Hände waren von Dornen und Brennnesseln zerschrammt und Sofia taten die Füße weh.
»Also hier ist der Nussbaum bestimmt nicht«, stellte Lidja sachlich fest.
»Aber die Karte …«, gab der Professor zu bedenken.
»Mit der sind wir eben reingefallen. Schließlich stammt sie aus dem 17. Jahrhundert, und gezeichnet hat sie ein Mann, der den Nussbaum auch nur aus Büchern kannte. Aber mit eigenen Augen hat er die Hexen oder einen Hexensabbat bestimmt nie gesehen. Ich spüre hier absolut nichts.«
Wohl oder übel musste der Professor zustimmen. »Gut, ihr habt recht, das hier war ein Schlag ins Wasser. Aber das muss ja nichts bedeuten. Schließlich gibt es noch andere Orte, wo wir suchen können.«
Er versuchte ein Lächeln, das Sofia und Lidja aber nur halbherzig erwiderten.
So stiegen sie wieder ein, und der Professor ließ den Motor an. »Die zweite Stelle liegt am Ufer des Sabato. Jetzt lasst den Kopf nicht hängen. Es ist noch ein paar Stunden hell, und das Tageslicht sollten wir ausnutzen.«
Sofia sah die Landschaft am Wagenfenster vorüberziehen. Der Professor hatte recht. Es gab keinen Grund, den Mut zu verlieren. Das war nur der erste Versuch gewesen. Allerdings machte sie sich immer mehr darauf gefasst, dass das Unternehmen viel schwieriger würde, als der Professor sich das vorgestellt hatte.
Am Nachmittag hatten sie aber auch nicht mehr Glück, und ebenso wenig an den darauffolgenden Tagen.
Sie klapperten das ganze Ufer des Sabato ab, von den Vierteln in der Innenstadt bis weit in die Randgebiete hinein. Jeden Tag war es das Gleiche: Lidja und Sofia konzentrierten sich, aktivierten ihre Kräfte und krochen dann zwischen Gestrüpp und Unkraut am Flussufer herum. Aber der Erfolg war
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