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Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat

Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat

Titel: Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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hier verwundet liegen lassen? Das kannst du nicht von mir verlangen«, erwiderte Sofia, packte ihn kurzerhand mit beiden Armen und hob ihn hoch. Leicht war er nicht, aber sie trug ihn hinaus, wobei sie das Tor wieder mit dem Zweig öffnete, den sie rasch aus ihrem Zeigefinger hervorschießen ließ. Es war niemand zu sehen. Aber diese Stille, die sie vorhin noch verzaubert hatte, machte ihr jetzt Angst. Der Oldtimer sah wie ein schlafendes Ungeheuer aus, und sie hatte keine Ahnung, wie sie es aufwecken sollte.
    »Und nun?«
    »Lass mich im Wagen zurück«, sagte der Professor, während er sich am Kotflügel abstützte. »Ich muss mich nur ein wenig ausruhen, dann schaffe ich es schon, den Wagen zu fahren.«
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage.«
    Sofia blickte sich um. Überall nur Schnee und Stille.
    »Halt dich gut fest, Professor. Ich bringe dich jetzt ins Krankenhaus«, sagte sie, schloss einen Moment die Augen und konzentrierte sich. Wieder traten die Flügel aus ihren Schultern hervor, schmerzhaft für sie, denn die Wunde am linken Flügel, wo Ratatoskr sie erwischt hatte, brannte heftig. Sie ergriff die Handgelenke des Professors und begann mit den Flügeln zu schlagen. Nichts geschah. Da umfasste sie ihn von hinten, indem sie die Arme unter seinen Achseln hindurchführte und über seiner Brust verschränkte, und probierte es noch einmal. Jetzt hoben sie ab, aber gerade mal einen halben Meter.
    »Das schaffst du nicht, ich bin zu schwer, und …«, bemerkte der Professor.
    »Lass mich. Du lenkst mich ab.« Noch kräftiger schlug Sofia mit den Flügeln, wodurch sich auch der Schmerz noch heftiger meldete. Aber sie hob tatsächlich so weit ab, dass sie fliegen konnte. Mit großer Mühe kämpfte sie sich Meter um Meter vor. Schnee und eiskalte Luft peitschten ihr Gesicht, während sie schneller wurde. Der Professor war wirklich kein Leichtgewicht, und weil sie Angst hatte, ihn fallen zu lassen, umgab sie ihn mit einem Netz aus Ranken, die eine Art Nest für ihn bildeten. Die Enden schlang sie sich selbst um die Taille. Ihr tat der Rücken weh, aber so hatte sie die Hände frei.
    Sie flog dicht über den Häusern, aber nicht in Richtung Krankenhaus, sondern zum Zirkus. Ihr war eingefallen, dass der Professor dort alles Nötige für seine Behandlung aufbewahrte. Denn ein Tropfen des Knospensaftes würde besser wirken als die Fürsorge Tausender Ärzte. Etwas abseits des Wohnwagens, den er bewohnte, landete sie, wobei sie gut aufpasste, dass sie von niemandem gesehen wurden. Wieder durchfuhr sie der Schmerz, als sie die Flügel zurückzog. Das Schneetreiben war dichter geworden.
    Sie ließ die Ranken verschwinden und trug den Professor wieder auf den Armen. Er war blass, und der Stoff seiner Hose war blutdurchtränkt. Sie brachte ihn in den Wagen und legte ihn aufs Bett.
    »Geh schon, Sofia«, sagte er. »Du hast alles für mich getan, was du tun konntest. Jetzt musst du um Himmels willen endlich los!«
    Sofia zögerte. Ihre Mission, die Ereignisse des Abends, selbst Fabio, all das war in dem Moment unwichtig geworden, als sie den Professor am Boden hatte liegen sehen. Doch jetzt spürte sie die Last der Verantwortung für die Aufgabe, die auf sie wartete.
    »Rühr dich ja nicht vom Fleck«, sagte sie scherzhaft zu ihrem Adoptivvater und fügte dann ernst hinzu: »Wenn wir uns morgen wiedersehen, habe ich die Frucht.«
    »Das bezweifle ich nicht. Aber jetzt geh, geh endlich!«, trieb der Professor sie an.
    Sofia seufzte tief und ging hinaus. Erst als sie den Rand des Zirkusgeländes erreicht hatte, holte sie die Flügel hervor. So stand sie da, bereit abzuheben, als jemand nach ihr rief. Sie erstarrte. Wenn jemand aus dem Zirkus nicht schlafen konnte und sie jetzt mit Drachenflügeln sah, wäre das eine Katastrophe. Hektisch überlegte sie, was günstiger war: Sich davonmachen oder warten und die Situation zu erklären versuchen?
    »Hast du nicht jemanden vergessen?«

    Lidja war mitten in der Nacht aufgewacht und hatte sofort geahnt, dass etwas vorgefallen war. Nur kurz zögerte sie beim Anblick der verschneiten Stadt. Sie fühlte sich schon sehr viel besser, und da sie nicht der Typ war, ruhig abzuwarten, dass Sofia allein die Arbeit für sie erledigte, schlüpfte sie in ihre Winterstiefel, schlang sich einen Schal um den Hals und setzte die Mütze auf. Dann war sie hinausgegangen – und gleich darauf auf die Freundin gestoßen.
    »Lidja!«, rief Sofia erleichtert. Dann fiel ihr ein, dass ihre Freundin noch vor

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