Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
ein paar Stunden hohes Fieber gehabt hatte. »Lidja!« Dieses Mal klang sie vorwurfsvoll. »Was machst du denn hier?«
»Ich dachte, wir sind ein Team. Oder willst du lieber alles alleine machen?«
»Nein, natürlich nicht. Aber du hast doch Fieber«, entgegnete Sofia.
Lidja nahm Sofias Hand und legte sie auf ihre eigene Stirn. Sie war kalt. »Ich bin wieder gesund. Aber was hast du vor?«
Rasch erzählte Sofia, was geschehen war.
»Bist du sicher, dass der Professor keine Hilfe braucht?«, fragte Lidja.
»Dir hat der Knospensaft doch auch geholfen. Warum sollte es bei ihm nicht funktionieren?«
Lidja musste ihr recht geben. »Okay, also los, beeilen wir uns.«
Die Drachenschwestern landeten auf dem Platz vor dem Stadtpark. Die Straßen waren immer noch menschenleer. Sie schlitterten über den frisch gefallenen Schnee und liefen die Hauptstraße entlang. Sofia erinnerte sich nicht genau, auf welcher Höhe der Obelisk stand, und schaute sich deshalb immer wieder suchend um. Endlich sah sie ihn auf einem kleinen, abseits gelegenen Platz hinter einem eingefrorenen Springbrunnen. Sie war schon mehrere Male an ihm vorbeigekommen und hatte nicht den Eindruck, dass jetzt etwas anders war. Der Obelisk, klein und nicht sehr beeindruckend – zumindest im Vergleich zu den riesigen Obelisken, die sie in Rom gesehen hatte –, wirkte fast wie ein Fremdkörper, zwischen dem modernen Springbrunnen und den Gebäuden darum herum. Hinter ihm prangte das Schild eines Sportartikelgeschäftes.
»Sie waren noch nicht hier!«, jubelte Sofia.
Ihre Freundin traute dem Frieden nicht und sah sich den Obelisken genauer an.
»Glaub mir Lidja, der sah schon immer so aus. Ich kann nichts Auffälliges entdecken.«
Lidja ging um das Denkmal herum. »Nichts Auffälliges, sagst du?«
Sofa folgte ihr. In dem steinernen Sockel, auf dem der Obelisk errichtet war, klaffte ein Spalt, und jenseits dieser schmalen Öffnung herrschte eine bedrohliche Finsternis.
»Vielleicht sind sie schon drinnen«, murmelte Sofia und spürte, dass ihr Mund schlagartig trocken geworden war.
»Jetzt sind wir an der Reihe«, sagte Lidja, und ohne auch nur einen Moment zu zögern, steckte sie den Kopf in die Öffnung. Ein entschlossener Schritt, und das Dunkel hatte sie verschlungen.
Sofia kniff die Lippen zusammen. Lidja hätte vorsichtiger sein können. Wenn ihr dort jemand auflauerte, konnte er sie ganz leicht niederschlagen.
Sie ging in die Knie und zwängte sich durch den Spalt in die Finsternis. Schimmelgestank nahm ihr den Atem, und sie hatte das Gefühl zu ersticken. Sie konnte noch nicht einmal die Hand vor Augen erkennen, so als verlöre man beim Überschreiten dieser Schwelle die Sehkraft. Keuchend rang sie um Luft.
›Nur keine Angst, nur keine Angst …‹
Während ihre Hüften die Seiten des Durchgangs streiften, kroch sie auf allen vieren hinein. Sie schob sich weiter, ganz vorsichtig, da zog es sie hinab. Sofia schrie aus vollem Hals – und stürzte ins Leere.
15
Die Wiederkehr des Nussbaumes
»Sof? Sof …?«
Schwer atmend richtete sich Sofia ein wenig auf. Im Magen spürte sie immer noch das schreckliche Gefühl des Falls. Alles war so schnell gegangen, dass sie nicht einmal Zeit gehabt hatte, die Flügel zu spreizen. Doch zum Glück war sie weich gelandet. Als sie sich abstützte, um aufzustehen, fühlte sich der Untergrund wie Watte an.
»Wo sind wir?«, flüsterte sie alarmiert.
»Keine Ahnung. In der Nähe des Baumes, hoffe ich zumindest«, antwortete Lidja, ebenfalls besorgt.
Sie half Sofia auf, die sich umzuschauen versuchte. Nebel überall. So dicht, dass sie ihn fast berühren konnte. Und dazu ein durchdringender Schimmelgeruch. Als sie auf ihre Füße blickte, wurde ihr schwindlig. Denn sie schienen auf keinem festen Grund zu stehen. Sofia sah weder die bloße Erde, noch einen bearbeiteten Fußboden. So wild drehte sich alles in ihrem Kopf, dass sie sich an der Schulter der Freundin festhalten musste. Eigentlich hatte sie in letzter Zeit gelernt, ihre Höhenangst, unter der sie von klein auf litt, in den Griff zu bekommen, doch die Vorstellung, buchstäblich im leeren Raum, im Nichts zu schweben, war zu viel für sie.
»Stimmt, das ist kein schönes Gefühl«, meinte Lidja, »aber irgendetwas Festes müssen wir unter den Füßen haben, sonst könnten wir hier nicht stehen.«
»Ist da drüben nicht ein Licht?«, fragte Sofia plötzlich.
Da glimmte tatsächlich ein undeutlicher Lichtschein, ein gutes Stück von ihnen
Weitere Kostenlose Bücher