Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
Recht, mir Befehle zu erteilen.«
Ganz langsam neigte er das Fläschchen, und die dunkle Flüssigkeit rann an den Glaswänden zum Flaschenhals.
Schnell ließ Sofia eine Ranke hervorschießen, die sich um das Fläschchen wickelte und das Auslaufen der Substanz verhinderte. Doch Fabio schickte sofort eine rot flackernde Flamme aus, und schon fraß diese sich an der Ranke entlang auf Sofia zu, die sie gerade noch loslassen konnte, sonst wäre sie selbst in Flammen aufgegangen. Die Drachenschwester sprang zur Seite, doch schon raste ihr eine weitere Flamme entgegen. Sie warf sich zu Boden und rollte zur Seite.
»Versuch das nicht noch mal! Niemand kann mich aufhalten. Niemand sagt mir, was ich zu tun habe. Verstanden?« , schrie Fabio.
»Aber von Nidhoggr lässt du dir befehlen«, rief Sofia zurück, während sie sich hochstemmte. »Und Ratatoskr gehorchst du auch.«
Fabio wirkte unentschlossen. Verkrampft umfasste er das Fläschchen.
»Zu denen gehörst du nicht«, versuchte es Sofia weiter. »Du warst nie einer von ihnen.«
»Aber ich habe euch verraten«, erwiderte Fabio verbissen, »ich habe mich anders entschieden und diesen Entschluss vor einiger Zeit noch einmal bekräftigt. Und soll ich dir mal was sagen? Ich bereue es absolut nicht.«
Wieder ein Blitz, und wieder Flammen, Flammen überall. Sofia flog auf, und wieder schmerzte der Flügel, der beim Kampf im Amphitheater verwundet worden war. So gut sie konnte, versuchte sie, sich zu verteidigen, indem sie Schlingpflanzen sprießen ließ, die Fabio fesseln sollten. Doch er war zu flink und konnte jedem Angriff ausweichen. Dann ließ er seine goldenen Flügel wachsen, die von den metallenen Streben aus Nidhoggrs Implantat eingefasst waren, und einen Moment lang sah ihn Sofia, wie er einmal gewesen war: Eltanin. Den wahren Eltanin. Und sie erinnerte sich:
Als er eintraf, lag der goldene Drache bereits mit blutüberströmten Schuppen auf der Erde. Entsetzt betrachtete Thuban die Wunden: Ein Flügel war fast ganz abgerissen, am ganzen Körper hatte er Biss- und Kratzwunden, und im Unterleib eine Schnittwunde, aus der das Blut heraussickerte. Doch erst Eltanins Blick brach ihm das Herz.
Thuban hatte miterlebt, wie er sie vor einigen Monaten verlassen hatte, hatte gesehen, wie er seine eigenen Brüder, die Drachen, bekämpfte, immer an Nidhoggrs Seite und immer an vorderster Front. Dieser brannte darauf, Schmerz und Tod zu verbreiten. Doch wie Eltanin nun so dalag, war es, als habe es diese Gräuel niemals gegeben. Denn der junge Drache blickte ihn an, und sein Blick bat um Gnade. Ihn, Thuban, der ihn nicht vor dem Unheil hatte bewahren und von ihren Werten hatte überzeugen können. Er hatte ihn ziehen lassen müssen, weil er den jungen Drachen nicht an sich hatte binden können.
Thuban brüllte seinen Schmerz dem Himmel entgegen und weinte alle Tränen, die er in sich hatte.
»Du hattest recht«, raunte der sterbende Drache. »Du hattest die ganze Zeit recht, ich war so dumm, so dumm und verbohrt.«
»Sag das nicht, es ist meine Schuld, dass alles so gekommen ist«, erwiderte Thuban.
Doch der andere schüttelte kaum merklich den Kopf. Seine Augen verschleierten sich immer mehr. »Ich habe ihn doch zum Weltenbaum geführt«, hauchte er, während ihm blutige Tränen über die Wangen liefen. »Ich …«
Thuban legte seinen Kopf an den seines früheren Gefährten.
»Nidhoggr hat dich hörig gemacht, hat dich mit falschen Versprechungen für sich gewonnen.«
»Das befreit mich aber nicht von meiner Schuld. Ich bin bis in alle Ewigkeit verflucht, und das ist recht so.«
»Du hast immer einen Platz in meinem Herzen. Das weißt du«, murmelte Thuban, »denn sonst wärst du nicht hier.«
Der Blick des goldenen Drachen hellte sich ein ganz klein wenig auf. »Aber etwas habe ich doch geschafft …«, sagte er leise. »Die Frucht … die Frucht ist in Sicherheit.« Seine schmerzverzerrten Züge entspannten sich zufrieden. »Und solange zumindest eine Frucht in Sicherheit ist, kann Nidhoggr niemals siegen.«
Thubans Tränen mischten sich mit dem Blut des Freundes. Eltanin war zurück, Eltanin war wieder einer von ihnen.
»Und nun lass mich gehen«, flüsterte der goldene Drache.
»Sei unbesorgt, du wirst nicht für immer gehen. Du wirst leben, so wie wir alle. Und eines Tages wirst du wieder auferstehen.«
Eltanin schaute ihn verständnislos an.
»Die Menschen werden die Erinnerung an uns weitertragen, sie werden dem Geist von uns Drachen eine Obhut geben,
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