Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
atmend wieder aufrichtete.
Auch Sofia keuchte, und zusammen mit der Luft, die sie tief in die Lungen sog, erfüllte sie mehr und mehr auch die Angst, die sie im Kampf völlig verdrängt hatte. »Wo kam die denn her? Hast du so etwas schon mal …« Sie brach ab.
Es raschelte. Beide Mädchen blickten sich alarmiert um.
»Gerade haben wir zum ersten Mal unsere Kräfte angewendet, seit es hier so aussieht«, sagte Lidja, bereit, sofort einen möglichen Angriff abzuwehren. »Offenbar nimmt dieser Wald die Energien von Thuban und Rastaban wahr und reagiert eben so darauf.«
Sie hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, da krochen aus einem Gebüsch Unmengen von Schlangen heraus. Sie waren klein, schwarz und sehr flink. Ihre schmalen blutroten Zungen schnellten hervor und leckten den Boden, während die Reptilien unaufhaltsam auf die beiden Mädchen zuschlängelten.
»Verflucht noch mal … Das nicht … Nicht auch noch Schlangen!«, kreischte Lidja und ergriff Sofias Arm.
Die fuhr herum und sah die Freundin an: So hatte sie Lidja noch nie gesehen, in Panik und bleich wie ein Leintuch. Was sollte sie tun?
Die Schlangen erreichten die Schuhe von Lidja, die immer hysterischer schrie und wie von Sinnen auf dem Boden herumtrampelte.
»Wir müssen fliegen!«, rief Sofia und breitete die Flügel aus. Ein Stück musste sie Lidja mit sich ziehen, doch dann gelang es auch der Freundin, die Flügel zu spreizen. So hoben sie ab, während die Schlangen sich am Boden wanden und wütend zischten.
Immer höher stiegen die beiden Mädchen auf. Rote Schneeflocken peitschten ihre Gesichter, und als sie es wagten, einen Blick hinunterzuwerfen, sah die Stadt wie ein Teppich aus schwarzen Blättern aus. Der Verlauf der Straßen war nicht mehr zu erkennen, überall sahen sie nur die Kronen dieser verfluchten Bäume, und nichts ragte aus diesem düsteren Urwald hervor. Vom Nussbaum keine Spur.
Angestrengt starrten sie hinab und überflogen die Stadt.
»So finden wir den nie«, jammerte Sofia.
»Du hast gerade eine gigantische fleischfressende Pflanze erledigt. Und jetzt willst du mir erzählen, dass du so einen verdammten Baum nicht finden kannst? Sieh doch nicht immer so schwarz«, brauste Lidja auf.
Sie gingen wieder etwas runter und schwebten dicht über der Vegetation, als plötzlich etwas auf sie zukam. Es war eine Art Adler, hatte aber nicht den Kopf eines Vogels, sondern den eines Reptils, war also eine grauenhafte Mischung aus Echse und Raubvogel. Mit einem spitzen Schrei stürzte er sich auf Sofia, die instinktiv die Hände vor die Augen nahm.
Die Krallen der Bestie suchten ihre Flügel, der Schnabel reckte sich zu ihrem Fleisch vor. Ineinander verkrallt, überschlugen sie sich in der Luft und krachten auf die Erde. Wieder versuchte Sofia, ihre Lianen einzusetzen, doch das Untier ließ nicht von ihr ab. Es hatte sie so fest im Griff, dass sie sich nicht bewegen konnte.
Undeutlich spürte sie Lidjas Finger, die die Flügel des Ungeheuers zu packen versuchten. Die Freundin kämpfte, um sie von der Bestie zu befreien, während diese ihr mit den Krallen das Gesicht zerkratzte.
Plötzlich blitzte ein Licht auf, das Untier kreischte, und mit einem Mal war Sofia frei.
Sie lag am Boden, und wusste nicht, wie ihr geschah. Da drang ein klapperndes Geräusch an ihr Ohr, das ihr vertraut war, und eine bekannte Stimme sagte: »Sie ist zurück! Sie ist zurück, und ihr müsst ihr helfen!«
18
Die Geschichte der alten Frau
In ihren abgetragenen Kleidern und mit den Holzschuhen an den Füßen stand die Alte vor ihnen. Doch ihre Augen funkelten, wie Sofia es noch nie bei ihr gesehen hatte.
Lidja ging sofort in Angriffsstellung. »Bleib stehen, wo du bist!«, rief sie.
»Schon gut, das ist eine Freundin«, beruhigte Sofia sie, indem sie ihren Arm berührte. »Das ist die alte Frau, von der ich dir erzählt habe und die den Prof vor Ratatoskr gerettet hat.«
»Sie ist zurück, meine Tochter ist wieder da«, wiederholte die Alte eindringlich, »und ihr müsst ihr helfen.«
»Von wem sprechen Sie?«, fragte Lidja verwirrt.
»Wissen Sie, wo wir den Nussbaum finden?«, mischte sich Sofia ein.
Die Alte nickte. »Ich spüre ihn ganz deutlich. Und meine Tochter leidet …«
»Dann führen Sie uns hin«, forderte Sofia sie auf.
»Also, Sof, ich verstehe überhaupt nichts mehr.«
»Sie ist die Mutter von Idhunn«, erklärte Sofia aufgeregt.
Sie hat mich zu der Stelle geführt, wo der Schlüssel zu dem Eingang versteckt war, durch den wir
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