Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
und die Wunde fest verbunden.
»Prof!« Sofia stürzte zu ihm. »Hast du das gesehen, Prof? Was sollen wir jetzt tun?«
Undurchdringliches Schweigen schlug ihr entgegen. Der Professor schlief, wie alle anderen auch, und schien in einen tiefen, friedlichen Schlaf der Gerechten versunken.
Sofia versuchte, ihn wachzurütteln. »Bitte, Prof, bitte, wir brauchen dich …«
Doch er glitt nur seitlich weg und lag jetzt fast der Länge nach auf der schmalen Pritsche.
»Lass es, Sof, es hat keinen Sinn, nur wir beide sind wach.« Lidjas Stimme hinter ihr klang kühl und selbstsicher. »Dieses Mal müssen wir es ohne seine Hilfe schaffen.«
Sofia biss sich auf die Lippen, während sie den Professor betrachtete, der so ruhig schlummerte und so weit entfernt von ihnen war.
»Allein schaffen wir das aber nicht … Ich meine, wir wissen doch gar nicht genau, was passiert ist, und haben keine Ahnung, wie wir die Stadt wieder in ihren normalen Zustand zurückversetzen sollen. Wir wissen noch nicht einmal, wo dieser verdammte Nussbaum abgeblieben ist!«
Lidja ließ sich nicht von Sofias Erregung anstecken. »Es nützt nichts. Wir müssen einen Weg finden.« Sie nahm Sofia bei der Hand. »Wir sind die Drakonianerinnen, in uns leben Thuban und Rastaban, und deshalb ist es unsere Aufgabe, die Welt vor Nidhoggr zu retten. Niemand kann uns das abnehmen, diese Mission hat das Schicksal uns, dir und mir, übertragen. Das ist unsere Bestimmung.«
Sofia blickte sie niedergeschlagen an.
»Während wir hier rumtrödeln«, fuhr Lidja fort, »haben sich unsere Feinde vielleicht schon längst die Frucht geholt. Wir müssen los.«
Sofia blieb noch einen Moment reglos stehen. Die Vorstellung, den Professor allein zurückzulassen, gefiel ihr nicht. Aber sie hatten keine andere Wahl. Sie nickte. »Gehen wir.«
Sie verließen den Wohnwagen und machten sich auf den Weg dorthin, woher sie gekommen waren. Lidja warf noch einmal einen traurigen Blick auf das durchbohrte Zirkuszelt, während Sofia an Alma, Martina und all die anderen Schlafenden dachte, die nichts von dem Albtraum mitbekamen, der die Stadt erfasst hatte. Zum ersten Mal fühlte sie sich tatsächlich anders als diese Glücklichen, die dieses Grauen verschlafen durften. Sie hingegen wusste, was gespielt wurde, und hätte niemals die Augen zumachen können so wie diese Menschen.
Die Mädchen gelangten wieder in die bewaldete Stadt.
»Wie groß wird der Nussbaum wohl sein?«, fragte Lidja.
»Der ist bestimmt riesig«, antwortete Sofia.
»Dann müssten wir ihn doch von oben aus sehen können.«
Einen Moment später hatte sie die Kräfte von Thuban und Rastaban wachgerufen. Die Flügel schoben sich aus ihren Schulterblättern, doch gerade als sie zum Flug abheben wollten, bebte die Erde. Sofia spürte ein dumpfes Vibrieren, das sich bis in ihren Bauch fortsetzte.
Dann ging alles sehr schnell. Dicke Wurzeln schossen aus der Erde, rankten sich hoch und hinderten Lidja daran aufzufliegen. Eine wickelte sich um ihren linken Knöchel und zog sie zur Erde zurück.
Sofia schrie und taumelte. Sie stolperte, fiel und … sah sie.
Eine gigantische Blume mit einer schwarz glänzenden Krone aus Blütenblättern, die um einen blutroten Schlund angeordnet und mit scharfen Reißzähnen besetzt waren. Ganz langsam zog die Pflanze Lidja zu sich heran, die sich vergeblich wand und sträubte. Die Zähne der Pflanze malmten hungrig.
Geistesgegenwärtig ließ Sofia ein paar Lianen hervorsprießen, die sich um die Blume wickelten. Doch die packte sofort Sofias Knöchel und hob sie hoch. Aber auch Lidja wehrte sich: Allein mit der Kraft ihrer Gedanken ließ sie Steine auffliegen und auf die Blüte niederregnen. Sofia holte weitere Lianen hervor, während sie mit der freien Hand eine hölzerne Lanze herzauberte, ähnlich jener, die sie gegen Fabio benutzt hatte, nur dass diese an den Kanten höllisch scharf war. Damit hieb sie auf die Wurzeln der Pflanze ein, die sich unter dem Asphalt metertief in den Boden bohrten. Sie waren steinhart, doch nach und nach wurden die Kerben immer tiefer, und eine Wurzel nach der anderen riss ab. Als auch der letzte Strang durchtrennt war, begann die Pflanze zu wanken und zu verwelken. Da legte Sofia eine Hand auf die Erde und konzentrierte sich. Der Boden bebte, und plötzlich schossen junge Bäume mit schlanken sattgrünen Stämmen hervor. Sie nahmen die Monsterblüte in die Mitte und zerquetschten sie.
»Du warst fantastisch«, sagte Lidja, als sie sich schwer
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