Drachenseele (German Edition)
vorbei. Er ergriff ihren Arm, „entschuldige, du ...“
„Ich hasse dich!“ Ihre Aussage wurde durch eine kräftige Ohrfeige unterstrichen. Marcus glaubte, sie habe sein Herz herausgerissen, so sehr schmerzten ihre Worte. Heftig knallte sie die Tür zum Schlafzimmer zu.
Nein, so konnte er sie nicht zurück lassen, sie hatte ein Recht darauf die Wahrheit zu erfahren. Vergeblich rüttelte er an der Tür. Sie hatte abgeschlossen.
„Nicole, bitte hör mir zu.“
„Wenn du nicht augenblicklich meine Wohnung verlässt, rufe ich die Polizei!“ Sie musste dicht an der Tür sitzen, ihre Stimme klang deutlich.
„Nicole, ich bitte dich ...“
„Verschwinde, du Scheißkerl und lass dich hier nie wieder blicken!“
Er konnte nicht glauben, wie eiskalt sie ihn abblitzen ließ. Ihm wurde dadurch bewusst, wie sehr er sie mit seinem Hinhalten gekränkt hatte. Jetzt gab es niemanden mehr, der ihm zur Seite stand. Eine schmerzliche Leere wuchs in ihm, ein Gefühl von Einsamkeit, von Trostlosigkeit. Diese Empfindungen hatte er selbst zu verantworten.
Narvalvar
I n dieser Nacht flog Narvalvar weiter als zuvor. Er erreichte ein seenreiches Gebiet mit vielen Waldstücken. Diesmal konnte er dieses Gefühl von Freiheit, von Wohlgefühl nicht richtig genießen. Zu sehr beschäftigte ihn Nicoles Verhalten. Ihre letzten Worte klangen hundertmal in seinen Gedanken wieder. Vie l leicht sollte er seine Pläne ändern und Nicole mit einem Brief um ein aufrichtiges Gespräch bitten.
Nein, es war vorbei. Sie hasste ihn. Sie würde ihm keine Gelegenheit für Erklärungen geben. Er hatte es gründlich verma s selt. Jetzt gab es für ihn nicht den geringsten Grund zurückz u kehren. Auch wenn sein Inneres sich nach Nicole sehnte, riet sein Verstand, keinerlei Verbindung mit Menschen einzugehen.
Sein Drachendasein warf zu viele Fragen auf, mit denen er sich abzulenken begann. Wovon hing seine Verwandlung ab? Bisher folgte er nur einem Bedürfnis sich in die Tiefe zu stürzten. Vielleicht würde er sich eines Tages gar nicht mehr in einen Menschen verwandeln. Irgendwo musste es doch mehr seiner Art geben, die ihm als Neuling so manches erklären konnten. Über der Wasseroberfläche blies er seinen Atem in die Luft. Kein Feuer, nicht mal ein Fünkchen brachte er hervor. Er fragte sich, was ihn im Kühlraum des Krankenhauses dazu gebracht hatte sich zu verwandeln, vor allem wie es ihm gelungen war Feuer zu speien. Vielleicht war es die Machtlosigkeit, oder die Wut in dieser Situation.
Narvalvar begann zu experimentieren, wie lange er es unter Wasser aushielt. Ausgezeichnet konnte er in dem trüben und dunklen Gewässer sehen. Was für erbärmlich schlechte Augen ein Mensch doch hatte.
Mühelos verweilte er jetzt bestimmt schon eine Viertelstunde hier ohne Luftholen zu müssen. Eine interessante Erkenntnis. Er beschloss, sich im Wasser genauer umzuschauen, speziell auf dem Grund. Zwischen Wasserpflanzen und kleinen Fischen fand er unendlich viel Müll. Ob Konservendosen, Schuhe, kaputte Luftmatratzen, Tüten oder modernde Boote, es gab hier so ziemlich alles, was man sich vorstellen konnte. Wirklich ein trauriger Anblick.
Unberührte Natur ade.
Die Seen mussten durch Zuflüsse miteinander verbunden sein. Stundenlang, so schien es Narvalvar zumindest, schwamm er die Gewässer entlang, entdeckte dabei immer wieder neue Verbindungen, neue Seen mit Seitenarmen. An manchen Stellen lag der Unrat in dicken Schichten auf dem Grund, an anderen Stellen blieb der Seegrund halbwegs sauber. Plötzlich überkam ihn das Gefühl umgehend an die Wasseroberfläche zurückzukehren. Auf dem Weg nach oben, fragte er sich, wie er wohl aussah, so als Drache.
Geräuschvoll hörte er sich über dem Wasser einatmen. Sein Atemzug schien ihm ungewohnt lang. Ein Frösteln schüttelte ihn. Sein Blick fiel dabei auf die Baumwipfel, die in einer Richtung heller wirkten. Ging die Sonne schon auf? Er schwamm auf das dicht bewachsene Ufer zu, um sich auf einen umg e stürzten Weidenstamm, der waagerecht am Ufer lag, zu setzten. Einige Äste wuchsen senkrecht nach oben weiter. Es vergingen ein paar Minuten, bis sich die Wasseroberfläche beruhigt hatte und Narvalvar endlich sein Spiegelbild betrachten konnte.
Sein Kopf mit der kurzen leicht spitzen Schnauze sowie der Rumpf erinnerten ihn an einen Leguan. Ebenso seine moosgrüne schuppige Haut, die aus verschieden großen Perlen zu b e stehen schien, mal winzig klein, an anderen Stellen, wie zum Beispiel am Bauch
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