Drachenseele (German Edition)
Atemzug erreichte ihn vermutlich ein wacher Moment. Daran musste er festhalten.
Marcus schluckte. Das Verlangen ins Wasser abzutauchen wurde laut. Nein! Er durfte nicht nachgeben. Diesmal sollte Marcus Sonntag die Oberhand behalten. Sein Zittern verschlimmerte sich, auch dieses Unwohlsein verstärkte sich.
„Nein! Du bleibst hier sitzen. Du wirst deinen Wahnvorstellungen nicht folgen“, sagte Marcus und bemühte sich an den Worten festzuhalten. In den nächsten Momenten stieg innere Hitze auf. Marcus meinte kaum noch atmen zu können. Er spürte wie seine Haut sich spannte, als wäre sie viel zu eng. Sein Körper zitterte, wie von heftigen Stromstößen durchzogen. Übelkeit verschlimmerte seine Symptome. Als zu allem Übe r fluss Kopfschmerzen auftraten, gab er sich seinem Schicksal hin.
Marcus rannte zum Ufer. Während er die Wasseroberfläche durchdrang, nahm er seine Verwandlung wahr, die einer Erlösung glich. Sämtliche Beschwerden spülte das Wasser davon. Seine Gedanken lagen nun klar vor ihm.
Seine Zweifel waren menschlicher Natur und in dieser Situation durchaus normal. In Zukunft musste er lernen, damit u m zugehen. Die Wandlung zum Drachen glich einer Verkleidung. Sein Inneres blieb gleich, wenn auch die Drachengefühle und -empfindungen anders sein mochten. Marcus und Narvalvar gehörten zusammen.
Reise
D as Fenster zum Wohnzimmer stand noch genauso offen, wie letzte Nacht. Narvalvar landete auf dem Fensterbrett. Kaum berührten seine flossenähnlichen Füße den Boden, verwandelte er sich in Marcus zurück. Erschöpft kroch er in sein kuscheliges Bett, um augenblicklich in einen tiefen Schlaf zu versinken.
Marcus blinzelte, erkannte seine vertraute moosgrüne Wand, die von der Mittagssonne angestrahlt wurde. Er drehte sich auf die Seite, schloss dabei wieder die Augen.
Irgendetwas stimmte nicht. Er fühlte sich beobachtet und das in seiner eigenen Wohnung. Es könnte Nicole sein, die ihn um ein Gespräch bitten wollte. Erneut schlug er die Lider auf, sah sich um.
„Ihr bringt alles durcheinander.“ Kenneth Stones erhob sich aus dem Sessel. „Euer Drachenwächter ist noch nicht bereit.“
Marcus setzte sich erschrocken auf. Mit Stones hatte er im Leben nicht gerechnet. Aber wenn der Typ schon mal da war, so konnte er vielleicht seine vielen Fragen beantworten. „Ein Drachenwächter? Wozu?“
„In der heutigen Zeit ist es schwieriger denn je, als Drache auf dieser Erde seine Existenz zu bestreiten. Ohne einen Drachenwächter, geratet Ihr entweder in die Hände von Wissenschaftlern, die meinen alles beweisen und erklären zu müssen, oder das Militär nimmt sich Eurer an. Beide Möglichkeiten sol l tet Ihr Euch ersparen.“ Stones warf Marcus seine Wäsche auf die Brust. „Zieht Euch an, Narvalvar. Ihr werdet vorerst an meiner Seite bleiben müssen.“
Marcus gefiel der Gedanke nicht, von jemandem abhängig zu sein. „Hören Sie, ich weiß nicht woher Sie kommen, was ...“
„Unterwegs werden wir genug Zeit haben.“
„Wieso wir? Sie werden Zeit haben.“ Marcus streifte sich das T-Shirt über. Der Typ war ihm zu aufdringlich. „Ziehen Sie die Nummer eigentlich mit jedem ab?“
Stones starrte ihn mit großen Augen an, als sei er wütend. „Kein Drache hat sich je vor seinem einundzwanzigsten Geburtstag verwandelt. Ihr seid gerade neunzehn Jahre alt.“
„Großartig, dann ist es vielleicht jetzt meine Schuld?“ Marcus bemühte sich wieder leiser zu sprechen. „Bis vor kurzem wusste ich ja nicht mal, dass ich ein ...“
„Pst“, fuhr Stones ihm ins Wort. „Nicht so laut!“
All seine vielen Fragen zu seinem Drachendasein drängten sich in den Vordergrund. „Wovon hängt die Verwandlung eigentlich ab?“ Marcus zog seine Hose an.
„Wie gesagt, normalerweise setzt die Veränderung zum einundzwanzigsten Geburtstag ein. Zu diesem Zeitpunkt steht der Drachenwächter bereit und übernimmt all seine Aufgaben. Dann beginnt die Metamorphose zur Nacht alle sieben Tage vor Vollmond und hält sieben Tage danach an.“ Stones schaute auf die Uhr. „Hingegen können Gefühlsausbrüche außerhalb dieser Phase zu jeder Tages- und Nachtzeit zu Katastrophen führen, wobei wir damit beim wichtigsten Punkt des Drachenwächters wären. Aber jetzt packt endlich Eure Sachen zusa m men. Ich kann mich nicht ewig von meiner Aufgabe fern ha l ten.“
„Eure Aufgabe? Worin besteht sie?“ Diese altertümliche Sprache begann Marcus zu amüsieren, er spielte mit.
„Meine
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