Drachenseele (German Edition)
Kraft.
„Ach ja? Sich nackend vor ein offen stehendes Fenster zu legen halte ich ganz und gar nicht für in Ordnung.“ Sie packte seinen Arm. „Komm, ich helfe dir ins Bett.“
Nein, er hatte nicht geträumt. Heute Nacht war er als Narvalvar unterwegs gewesen, sein erster Ausflug als Drache!
Nicole würde ihm kein Wort glauben, ihm selbst erschien es unglaublich.
„Lass gut sein, Nicole. Es geht schon wieder.“ Die Verwandlung vom Drachen in den Menschen zurück, raubte ihm ve r dammt viel Kraft.
„Hör zu Marcus. Diese Aussetzer jagen mir wirklich Angst ein. Was hältst du davon, wenn wir einen Heilpraktiker aufsuchen?“
Er schüttelte den Kopf, „glaube mir, es ist alles in Ordnung.“
„Marcus!“ Sie ließ seinen Arm los und legte ihre Hände in sein Gesicht, „warum belügst du dich?“
Er nahm sie an den Handgelenken, hielt sie fest. „Das ist nicht wahr. Seit ein paar Tagen habe ich eine Vermutung, was hinter diesem angeblichen Tumor steckt.“ Er ließ sie los, sah ihr dafür in die Augen. „Für mich selbst ist das alles schwer zu begreifen, deshalb bitte ich dich um Geduld.“
„Geduld? Du wirst am Samstag fort gehen und bittest mich um Geduld?“ Sie stand hastig auf.
„Nicole!“ Fieberhaft suchte er nach den passenden Worten, ohne ihr von seinem Ausflug heute Nacht zu erzählen. „Ich war und bin nicht krank. Das schwöre ich dir.“ Er erhob sich ebenfalls, um sich anzuziehen.
„Und deine Kopfschmerzen? Deine Bewusstlosigkeit?“ Ihre Stimme zitterte. „Diese Symptome ignorieren wir einfach, ja?“
Er nahm sie bei den Schultern. „Nein. Ich ignoriere sie nicht, aber es sind keine Symptome einer Krankheit und jetzt Schluss damit.“
Nicole bewegte ihre Lippen, schluckte ihren Kommentar aber hinunter. Sie ließ Marcus im Wohnzimmer stehen. Das schmerzte ihn. Es lag ihm fern, sie erneut zu verletzen, deshalb ging er ihr nach, in die Küche.
„Ich mache uns Frühstück“, klang sie mürrisch.
Marcus Magen rebellierte. Zu viel hatte er heute Nacht verschlungen. Keinen Bissen würde er jetzt herunter bringen.
Die nächsten zwei Nächte verbrachte Marcus wieder in verschiedenen Gewässern in der Umgebung von Berlin. Um Nic o le nicht noch mehr zu verärgern, bemühte er sich zumindest das Bett aufzusuchen, wenn er zurückkehrte. Für ihn bedeutete diese kurze Strecke vom Fenster bis zum Bett eine echte He r ausforderung, die er nur auf allen Vieren bewältigen konnte.
Erst am frühen Nachmittag erwachte Marcus. Nicole arbeitete am Rechner im Wohnzimmer. Er fühlte ein Lächeln auf seinem Gesicht. Diese nächtlichen Ausflüge erfüllten ihn mit Wohlbehagen. Er beugte sich hinunter, legte seine Arme von hinten um Nicoles Oberkörper. Steif wie ein Brett richtete sie sich auf, wand sich aus seiner Umarmung und drehte sich um.
Sie nahm einen tiefen Atemzug, während sie aufstand. „Was bedeutet Narvalvar?“
Nicole schöpfte offensichtlich Verdacht. Vielleicht war sie heute Nacht Zeuge gewesen, als er heimkehrte. „Ich weiß nicht, was es bedeutet.“
In ihren Augen funkelte etwas Unheimliches auf, was er nicht deuten konnte. Sie nickte, als habe sie mit dieser Antwort gerechnet. Vom Tisch nahm sie längliche dunkelgrüne Blätter mit braunen Algen hoch, kam damit dicht an Marcus heran. „Und das? Kannst du mir das bitte erklären?“
„Was ist das?“ Mit Pflanzen kannte er sich nicht aus.
„Klar! Ich hatte auch nicht erwartet, dass du mir erzählen würdest, was diese Wasserpflanze in meinem Bett zu suchen hat.“
Scheiße!
Er musste die Blätter versehentlich heute Nacht mit sich gerissen haben.
„Seit drei Tagen isst du nichts mehr. Du schläfst fast den ganzen Tag, um nachts offensichtlich merkwürdige Dinge zu tun.“ Sie bemühte sich um Beherrschung, das konnte er in ihrem Gesicht erkennen. „Ich denke, bisher war ich mehr als ve r ständnisvoll, Marcus.“
Er nickte. „Ja, das warst du.“ Trotzdem, seine Drachenexistenz klang einfach zu verrückt. „Dafür danke ich dir.“ Ihre G e duld neigte sich dem Ende. Es wurde Zeit für den Rückzug, nicht nur von ihr, sondern aus der Stadt. Er zog sich an und sammelte seine Sachen zusammen.
„Du gehst?“ Nicole wartete neben der Wohnungstür.
„Es ist besser so.“
„Besser für dich?“ Tränen standen ihr in den Augen. „Ja, geh nur und lasse die einzige Person zurück, die dir all die Zeit zur Seite gestanden hat.“ Die verbale Ohrfeige traf Marcus wie ein Hammerschlag. Nicole eilte an ihm
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