Drachenseele (German Edition)
Papiere über den Tresen.
Endlich stieg Marcus in Berlin aus dem Flugzeug. Mit seiner Reisetasche über der Schulter fuhr er mit der Bahn sowie mit dem Bus zu seiner ehemaligen Wohnung. Mit klopfendem Herzen und leicht zittrigen Händen stand er vor Nicoles Wohnungstür. Hier hatte er sich mit Sven verabredet. Er klingelte. Ein kräftiger Mann, nicht viel größer als Marcus selbst, öffnete die Tür.
„Hallo, ich bin Marcus. Gibt es Neuigkeiten von Nicole?“ Nicoles Bruder hatte er auf dem Foto schlank in Erinnerung. Der Kerl wirkte mit seinem kantigen Gesicht sehr unsympathisch.
„Marcus Sonntag?“ Er streckte ihm die Hand entgegen. Marcus nickte und reichte ihm seine Rechte. Der Kerl packte Ma r cus fest an der Hand und drehte ihm flink den Arm bis zur Schmerzgrenze auf den Rücken. Etwas Kaltes berührte seinen Hals, dicht über seinem Halsband, vermutlich der Lauf einer Pistole. Hatte man ihn in eine Falle gelockt? Was war mit Nicole wirklich passiert?
„Setzen!“ Der Kerl schob Marcus, noch immer mit der Waffe am Hals, auf einen Stuhl. „Mach ihn fest.“ Etwas Dünnes, Scharfkantiges schnürte sich in Marcus Handgelenke, die ihn an der Stuhllehne fesselten. Aus Angst wagte Marcus nicht sich umzudrehen. Definitiv waren sie zu zweit.
„So, Freundchen!“ Er riss Marcus an den Haaren, den Kopf in den Nacken. „Jetzt raus mit der Sprache. Wo ist Nicole?“
Marcus kapierte nicht, wo er hineingeraten war. „Was soll das? Wer seid ihr?“ Gleich einem Donnerschlag flog Marcus ein harter Gegenstand gegen die Schläfe.
„Wir stellen hier die Fragen und wenn wir schon dabei sind, wer zum Teufel bist du? Marcus Sonntag ist tot!“
Marcus bemühte sich seine Hilflosigkeit nicht zur Wut werden zu lassen. Diese Katastrophe musste er meiden. Er schloss die Augen, versuchte ruhig zu bleiben, so schwer es ihm in dieser Situation auch fiel. Die Typen hier verstanden sichtlich keinen Spaß. Er brauchte schnell eine glaubhafte Erklärung. Marcus schaute auf. Im selben Moment rammte der Kerl seine geballte Faust Marcus in den Magen. Für einen Augenblick blieb ihm die Luft weg.
„Wo ist Nicole?“, brüllte ihm der Kerl ins Gesicht.
„Ich weiß nicht“, keuchte Marcus.
„Wie du willst.“ Erneut donnerte Marcus etwas gegen die Schläfe. Der Schlag raubte ihm seine Körperbeherrschung. Er spürte, wie er zusammensackte.
„Das reicht jetzt“, sagte eine andere Stimme.
„Wir fangen gerade erst an. Hier! Für die Füße. Mach sie am Stuhlbein fest.“
Marcus nahm zwar wahr, wie man seine Fußgelenke am Stuhl befestigte, aber in der Lage sich zu wehren war er durch den Schlag noch nicht. Erst langsam kehrten seine Sinne zurück. Sein Sitz kippte nach hinten, quetschte seine Hände zwischen Boden und Stuhllehne ein. Marcus hörte sich aufstöhnen. Zu allem Überfluss legte der Kerl ihm einen feuchten Lappen übers ganze Gesicht.
„Zum letzte Mal, wo ist Nicole?“
Marcus ahnte, was der Typ vorhatte. Er würde Wasser über den Stoff kippen, was sich für ihn nach ertrinken anfühlte. Er durfte Narvalvar nicht zum Zuge kommen lassen, er musste gegen diese Todesangst, die ja der Sinn dieser Folter war, ankämpfen. „Du wirst nicht ersticken“, wiederholte er innerlich unzählige Male, während ihm das Wasser auf dem Lappen das Gefühl vermittelte, zu ersticken. Durch die Feuchtigkeit klebte der Stoff fest auf seinem Gesicht, ohne Gnade auch nur einen Luftzug zu erhaschen. Marcus’ Herzschlag übertönte alle Geräusche. Er versuchte verzweifelt nach Atem zu ringen. In seiner Panik warf er den Kopf hin und her, um sich von dem na s sen Ding zu befreien. Es hatte sich derart auf Nase und Mund festgesaugt, dass es keine Luft hindurch ließ. Man packte derb seinen Haarschopf. Nein, er wollte nicht sterben. Für einen M o ment spürte er die Kraft von Narvalvar in sich wachsen. Holz krachte. Marcus war es gelungen die Stuhlbeine mit seinen Fu ß fesseln auseinander zu reißen.
„Scheiße! So halte ihn doch fest“, jammerte der Muskelprotz. Für Marcus schien es der letzte lebende Augenblick zu sein, als man ihm den Lappen aus dem Gesicht riss.
„Weiß nicht“, rang Marcus endlich nach Atem, „wo sie ist!“ Er atmete tief. „Hört auf mit dem Scheiß. Ich bin hier, um sie zu suchen.“
„Und wer bist du?“, forderte der Muskelprotz mit dem Gesicht über Marcus Nase hängend.
„Was spielt das für eine Rolle?“
Ohne Vorwarnung rammte der Typ seine Stirn auf Marcus’ Nase. Tränen schossen
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