Drachenseele (German Edition)
tauchte sein Hemd in die Fischsoße, „der Mond! Ich sah mir meine Notizen an, wann es Euch am schlechtesten ging, und dabei fiel mir auf, dass es beide Male um Vollmond war. Das brachte mich auf die Idee, ob nicht der menschliche Körper in Euch sein Recht forderte. Ich konnte ja nur vermuten, da es für Euch kein Vorbild gibt. Ve r steht Ihr?“
Narvalvar schüttelte den Kopf.
„Euer Körper ist noch nicht so ausgereift, wie er es sein sollte. Normalerweise verwandeln sich Drachen erst mit einundzwanzig, Ihr aber seid erst neunzehn.“ Richard schob seine Gabel mit einem Stück Backfisch darauf in den Mund. Er ka u te, „jedenfalls geht es Euch wieder gut, trotz zunehmendem Mond, was also bedeutet, dass ich Recht hatte.“
Der Mond und sein Verwandlungsverbot waren also für seinen Gesundheitszustand verantwortlich. In seinen Gedanken ging er bis zu jenem Tag zurück, als Stones in der Höhle aufgetaucht war. Er hatte behauptet, sein Drachenwächter sei gestorben. Sollte das der Grund seiner Gefangennahme sein? „W a rum bin ich hier?“
Richard legte das Besteck auf den Teller, dabei sah er auf.
„Durch Eure Unvorsichtigkeit habt Ihr einen Mann aus dem Militär eine Spur gegeben, Euch zu finden. Stones versteht da keinen Spaß und mittlerweile solltet Ihr auch wissen, weshalb. Obendrein verstarb Euer Drachenwächter. Ein junger Mann, Mitte zwanzig, eine furchtbare Sache.“
Das fühlte sich bedrückend an. „Woran ist er gestorben?“
„Ein geplatztes Aneurysma. Er ist innerlich verblutet.“
Für mehrere Augenblicke herrschte Schweigen.
„Stones musste für Eure Zukunft eine Entscheidung treffen, so kam ihm der Gedanke, Euch Nathus anzuvertrauen.“
„Wusste er, von meiner ...“, wie sollte er sich ausdrücken?
„Nein!“, fiel Richard dazwischen. „Eure Vorgeschichte erfuhr er erst mit dem Eintreffen Eurer Transportkiste direkt von Stones. Bis zu diesem Tag“, er presste die Lippen aufeinander, „ähm, war er lediglich zuständig für die Resozialisierung straffälliger Drachen.“
Narvalvar spürte deutlich, dass Richard ihm etwas verheimlichte, dieser Unterbrecher machte ihn stutzig. „Dann hat St o nes ihn also gezwungen mich aufzunehmen?“
Richard schüttelte energisch den Kopf. „Nein. Nathus sieht es als Herausforderung.“ Er schien zu überlegen, rieb sich derweil über die Stirn. „Versteht doch, wenn Ihr wegen mangelndem Wissens kein freier Drache werdet, fällt der Schatten auf Nathus zurück. Er möchte Euch helfen und ganz bestimmt nicht versagen.“
Wer wollte schon versagen? Aber eine Kooperation, wenn man in diesem Fall davon sprechen konnte, fiel eben schwer, wenn beide Parteien sich nicht riechen können. „Gibt es denn keinen anderen Drachen? Muss es ausgerechnet Nathus sein?“
Richard schloss kurz die Augen, er seufzte. „Versprecht mir Eines!“
Das klang nach Abschied. „Was?“
„Seht in ihm den Drachen, nicht den Menschen, dann wird es Euch leichter fallen, mit ihm auszukommen.“
Narvalvar wiederholte dreimal in seinem Inneren diese Worte, er wollte es versuchen. „Wann müsst Ihr abreisen?“
Richard schüttelte schmunzelnd den Kopf, „es ist immer wieder faszinierend, wie Ihr unsere Empfindungen wahrnehmen könnt. Strahle ich solche Unruhe aus?“
Narvalvar sah ihn an. Er vermisste ihn schon jetzt.
„Heute Abend!“ Er schluckte kurz. „Ihr seid mir sehr ans Herz gewachsen, Narvalvar. Denkt nicht, dass es mir leicht fällt.“
Warum konnte nicht Nathus wie Richard sein?
Der Mond nahm zu,
der Mond nahm ab,
die Monate füllten wie seit
Jahrhunderten die Zeit.
Begegnung
„ M arcus, hier sind wir!“
Eine Reihe vor ihm winkte eine junge Frau einem Mann zu, der sich durch den schmalen Gang des Flugzeuges drängelte, an den einsteigenden Passagieren vorbei. Diesen Namen hatte Narvalvar schon lange nicht mehr gehört und doch fühlte er sich noch angesprochen, auch wenn er gar nicht gemeint war.
Er lehnte sich auf seinem Sitz zurück, beobachtete derweil die Menschen, wie sie mit der Bordkarte in der Hand ihren Platz suchten. Dieses Gewühl projizierte eine unerwünschte Unruhe auf ihn, deshalb wandte er den Blick auf das Flughafengebäude durch das kleine Fenster neben ihm. Gleich einem heftigen Stromschlag spürte er einen Ruck in sich.
Spielten ihm seine Augen einen Streich? Angespannt sah er wieder nach vorn.
Das war zu unwahrscheinlich! Sein Herz schlug sofort dreimal so schnell, er musste schlucken. Eine
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