Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)
Erde von den Händen.
»Das macht er nicht! Kana-Tu ist eine Seele von Mensch … äh, natürlich eine Seele von Drachen!« Die Frau, stand plötzlich neben ihr und streckte Janica die Hand entgegen. »Ich bin Tirina, ich führe Kana-Tu das Haus. Wir sollten ihn jetzt allein lassen, damit er sich nach diesem anstrengenden Flug in Ruhe wandeln kann!«
Benommen hatte Janica die dargereichte Hand genommen, nun ließ Tirina die junge Frau nicht wieder los, griff noch nach der Fackel und zog Janica energisch mit sich. Inzwischen war es völlig dunkel geworden. Janica stolperte mehr als nur einmal und war froh, dass Tirina auf das nächstgelegene Gebäude zusteuerte, das sie an einigen hell erleuchteten Fenstern im Erdgeschoss ausmachen konnte.
Janica fand sich in einer großen Küche wieder. In dem gemauerten Herd, der die Hälfte der hinteren Wand einnahm, knisterte ein Feuer, auf den Borden glänzten kupferne Pfannen und Töpfe, in anderen Regalen stapelte sich blütenweißes Geschirr. Der Raum wurde erhellt von einem Leuchter, auf dem ein Dutzend Kerzen flackerten. Der angenehme Duft von Wachs mischte sich mit dem Geruch frischer Minze. Kerzen waren teuer, die Anzahl, die hier ohne triftigen Grund abgebrannt wurde, kündete vom Wohlstand dieses Haushalts.
Tirina führte die Prinzessin zu einem Stuhl an dem riesigen Gesindetisch und drückte sie auf das weiche Sitzkissen.
»Jetzt wollen wir dir erstmal diese hässliche Kluft vom Leibe ziehen, Mädchen! Das Fell der Salzrinder mag ja ganz gut wärmen, aber besonders elegant sieht das nicht aus! Wie heißt du eigentlich?«
»Janica«, flüsterte die junge Frau. Sie fühlte sich todmüde. Es passierte schließlich nicht alle Tage, dass man des Morgens beinahe auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde und anschließend auf einem Drachen reiten musste! Teilnahmslos ließ sie sich von Tirina die Stiefel von den Füßen ziehen und die dicke Jacke von den Schultern schieben. Ganz mechanisch erhob sie sich, um der Frau zu helfen, auch die Hosen abzustreifen.
»Gottchen, welch ein hübsches Gewand!« Tirina befühlte den Seidenkaftan, den Janica unter der Lederkluft trug. »Leider wirst du hier in unserem Tal selten so etwas Zartes tragen können! Dazu ist es meist zu kalt. Wir halten uns lieber an Kleider aus Nordziegenwolle!«
»Nordziegenwolle! Ich habe es geahnt! Jetzt brauchst du nur noch zu sagen, dass ich ein Bad nehmen soll!«, murmelte Janica schläfrig. Tirina hob erstaunt die Brauen.
»Das wollte ich dir gerade vorschlagen, Janica! Mit Verlaub, du riechst nicht gerade besonders gut!«
»Meine letzte Unterkunft im Kerker des Sultans war nicht sehr komfortabel. Es gab kein Badezimmer!«, erwiderte Janica matt. Sie wusste selbst, dass sie dringend ein Bad brauchte, aber noch nötiger hatte sie jetzt ein wenig Schlaf. Sie legte ihre Unterarme auf die Tischplatte und bettete ihren Kopf darauf. Die Lider fielen ihr zu, nur wie aus weiter Ferne hörte sie Tirinas Worte: »Ich gieße dir einen Minztee ein, dann richte ich dir den Badebottich!«
Janica schlief tief und fest, als Tirina den dampfenden, mit Honig gesüßten Tee vor sie auf die Tischplatte stellte.
Kana-Tu tappte barfuß in die Küche. Er hatte sich nur ein Stück Stoff um seine Blöße gebunden, das Tirina stirnrunzelnd als ihr zum Trocknen aufgehängtes Schultertuch identifizierte.
»Du hast schmutzige Füße!«, rügte sie ihn.
»Die Wiese war matschig!«, rechtfertigte er sich und drückte der Frau einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Ein versonnenes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er die schlafende Janica betrachtete. Er griff sich den Teebecher und trank den Minztee in hastigen Zügen, ohne die Augen von der Prinzessin zu lassen.
»Du hast nicht nur schmutzige Füße, sondern auch schmutzige Gedanken!«, rügte Tirina ihn. »Wer ist das Mädchen? Bleibt sie hier bei uns im Tal?«
Er hob die Schultern: »Ich weiß nicht!«
»Was, du weißt nicht, wer sie ist, und dann lässt du sie auf dir reiten? Sind die letzten Drachen vom Irrsinnswurm befallen?«
»Natürlich weiß ich, wer sie ist, Tirina, aber das tut nichts zur Sache! Ich glaube nicht, dass sie bleiben wird!«
»Warum nicht? Hast du sie gefragt? Sie könnte deine Frau werden! Die Ahnin Lilita war mit deinem Vater Kaj-Tu sehr glücklich!«
Er schüttelte heftig den Kopf, und seine Augen trübte plötzlich ein Hauch von Trauer: »Ich glaube nicht, dass sie ausgerechnet einen Drachen lieben könnte!«
Kana-Tu stellte
Weitere Kostenlose Bücher