Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)
es zwei starke Hände gab, die ihre Knöchel umfingen.
»Ziehst du mich bitte zurück, Kana-Tu?«, flüsterte sie kläglich, weil sie das Gefühl hatte, durch eine ungeschickte Bewegung den Halt zu verlieren und in die Tiefe zu stürzen. Kana-Tus Griff löste sich einen entsetzlichen Atemzug lang von ihren Fußknöcheln, aber augenblicklich spürte Janica seine kräftigen Hände wieder an ihren Hüften. Es schien ihm nicht die geringste Mühe zu bereiten, Janica aufzuheben, sie an sich zu ziehen und einige Schritte nach hinten in die Sicherheit der Höhle zu tragen. Kaum war die Gefahr des Sturzes in die bodenlose Tiefe gebannt, begann Janica wieder zu zappeln.
»Jetzt lass’ mich schon los! Ich habe ja begriffen, dass es dort vorn keinen Ausgang gibt!«
Kana-Tu lachte, jetzt kein bisschen verhalten, und stellte Janica auf ihre Füße. Sie befanden sich noch immer im vom Mondschein ausgeleuchteten Teil der Höhle, und Janica hielt den Atem an, als ihr Blick auf Kana-Tu fiel, den sie bisher nur als dunklen Schemen hinter ihrem Rücken wahrgenommen hatte. Er trug jetzt nicht mehr den unförmigen Kittel und die weite Hose aus diesem weichen aber unsäglich langweiligen Stoff aus Nordziegenwolle. Nur ein schmales Tuch verhüllte seine Hüften. Janica hielt den Atem an beim Anblick der glatten, leicht bronzefarbenen Haut, unter der Sehnen und Muskeln spielten wie bei einer der gefährlichen Sandlöwen aus der Mittelwüste, die ihr Bruder Ferinic in einem Gehege im königlichen Jagdhof hielt.
Erst jetzt fiel ihr auf, dass Kana-Tu außergewöhnliche Augen besaß. Sie ähnelten in ihrem gelbbraunen Leuchten beängstigend dem Drachenauge, in das Janica bei ihrer Entführung hineinsehen musste. Sie stemmte ihre Hände auf seine Schultern.
»Lass’ mich los, du Wüstling! Bestimmst belügst du mich! Du bist schließlich auch hier oben! Oder hat dich der Drache auch verschleppt? Nein, es muss noch einen zweiten Ausgang geben! Höhlen haben immer zwei Ausgänge!«
Er dachte gar nicht daran, seine Hände von ihren Hüften zu lösen. Fest und zart zugleich hielt er sie gefangen. Er beugte sich zu ihr nieder und flüsterte in ihr Ohr: »Du hast recht, Ma Che, es gibt noch einen Ausgang. Er ist ganz leicht zu finden, wenn du ein Fisch bist, denn er liegt unter dem Wasser der natürlichen Zisterne dort hinten in der Höhle, die uns mit Wasser versorgt. Bist du ein Fisch, Prinzessin?«
Seine Hände wanderten nach unten, griffen den Saum des Kittels und schoben ihn nach oben. Janica konnte die Wärme seiner Finger auf ihren Schenkeln spüren. Ein merkwürdig angenehmer Schauder kroch ihren Rücken hinab. Was machte dieser unverschämte Kerl denn da?
Kana-Tu strich sanft über das Haar auf ihrem Venushügel.
»Ein Goldfellchen! Wie schade, dass man so etwas im Wasserland nicht zu schätzen weiß!«
Hastig rutschte Janica von ihm weg.
»Warum sagst du so etwas? Was passiert mit mir in diesem Sultanat? Lass’ mich doch einfach laufen, Kana-Tu! Ich könnte behaupten, ich wäre dem Drachen entkommen, und ich würde ganz bestimmt nichts von dieser Höhle hier erzählen!«
»Du hast es noch immer nicht begriffen, Ma Che! Aus dieser Höhle gibt es nur einen Weg nach draußen, wenn du Flügel hast. Keine Sorge, dir wird es gut gehen im Wasserland. Die anderen Mädchen wurden fast alle gut verheiratet und leben wie kleine Königinnen. Wir Drachen sind schließlich keine Untiere!«
»Wir Drachen? Du stellst dich auf eine Stufe mit diesem hässlichen Vieh, das wahrscheinlich dort hinten tief im Berg schläft?« Janica wollte ein weiteres Stück von Kana-Tu abrücken, aber er packte plötzlich ihre Handgelenke und drückte sie zu Boden. Sie wand sich unter ihm, aber er war zu stark, und er presste seinen Körper fest auf den ihren.
Ganz dicht schwebte sein Gesicht vor ihren Augen. Sein Mundwinkel zuckte ein wenig.
»Das wird dem Onkel gar nicht gefallen, dass du ihn als hässliches Vieh titulierst! Ma Che, wie kannst du nur so langsam von Begriff sein! Also, jetzt ganz deutlich für dich, sperr deine Ohren auf: Der Drache ist niemand anders als Kajim selbst!«
»Aber wie …«, schnappte Janica. Dann schwieg sie lieber. Sie hatte schon genug Unsinn von sich gegeben, und sie würde den Teufel tun und diesem Kana-Tu noch mehr Angriffsfläche bieten. Er machte sich offensichtlich einen Spaß daraus, sie zu veralbern und zu demütigen. Außerdem fühlte sich sein Körper komisch an. Auf ihren Bauch drückte etwas verdammt Hartes, als
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