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Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Titel: Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Alderwood
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dicke Schwielen da zu sehen sind! Das hier …«, Inared machte eine bedeutsame Pause, »… stammt also nicht von Eurem Bruder!«
    Anadid wollte sich die Hand nicht genauer ansehen, ganz gewiss nicht! Er ließ die Stoffbahn fallen und hob das nächste Tuch an. Diese Leiche war noch recht vollständig, wenn man davon absah, dass dem Mann ein Auge und ein Stück des Schädels fehlte.
    »Den kenne ich! Das ist Thalid, der Kapitän der Brigantine!« Anadid bedeckte den Toten wieder. Er räusperte sich und versuchte, seinen Worten einen beiläufigen Ton zu verleihen. »Was, glaubt Ihr, Ehrwürdiger Ratgeber, hat unser Schiff vernichtet?«
    Der Alte strich sich bedächtig über seinen Bart, bevor er antwortete: »Eine solche Zerstörung habe ich erst ein einziges mal gesehen. Das war lange vor Eurer Geburt, mein Prinz. Ein Alchimist in der Sultansstadt hatte eine Art Pulver erfunden, mit dem man die Stümpfe von Maulbeerbäumen ohne viel Aufwand aus der Erde reißen konnte. Man grub ein kleines Loch unter der Wurzel, schüttete das Pulver hinein und legte eine Werglunte hinein. Wenn man das Werg angezündet hatte, musste man ganz schnell davonlaufen, denn es gab eine unkontrollierte Explosion, die den Wurzelstock aus der Erde löste. Leider muss diesem Alchimisten dann ein Fehler unterlaufen sein, sein Haus wurde bei einer Detonation in abertausend Teile zerrissen, von ihm und seiner Frau fand man dann nur noch kleine blutige Fetzen. Leider kamen auch einige Nachbarn und Passanten ums Leben. Deshalb hat Euer Vater die Herstellung dieses Pulvers streng verboten!«
    Anadid ließ sich seine Bestürzung nicht anmerken. Dieser vertrackte Bücherwurm bewegte sich auf gefährlichem Terrain! Wie konnte er nur so schnell die richtigen Schlussfolgerungen ziehen? Er musste den alten Schnüffler auf andere Gedanken bringen! Der Prinz schaute unter das dritte Leichentuch. Das Gesicht des Toten war unversehrt und zeigte noch immer den Ausdruck ungläubigen Entsetzens. Vielleicht hatte der Matrose noch eine Weile gelebt, als die Explosion seine Beine wegriss, eine furchtbare Vorstellung! Anadid spürte ein unangenehmes Kribbeln in seinem Nacken. Er ließ das Tuch wieder fallen und sah zu Inared auf.
    »Machen wir uns doch nichts vor, Ehrwürdiger Ratgeber!« Der Prinz hoffte, dass seine Stimme seine Erregung nicht verriet. »Das Pulver wird noch immer heimlich hergestellt! Aber welcher Alchimist hat in seinem Kellerversteck die Möglichkeit, solche Mengen von dieser gefährlichen Substanz herzustellen, dass man damit ein ganzes Handelsschiff in Stücke reißen kann? Und warum sollte mein Bruder eine solch tückische Fracht an Bord genommen haben? Nein, es muss eine andere Erklärung geben!«
    Die Augenbrauen des Wesirs hoben sich. Diese unmerkliche Geste kannte Anadid nur zu genau. Immer, wenn Inared anderer Meinung als der Prinz war und es nicht allzu offensichtlich kundtun wollte, ruckten seine Brauen.
    »Jemand könnte das Pulver heimlich auf das Schiff gebracht haben!«, gab er zu bedenken.
    Anadid kochte innerlich. Jetzt nur nichts anmerken lassen!
    »So streng, wie mein Bruder die Brigantine bewachen ließ? Nicht einmal eine Maus ist ungesehen an den Wachen vorbeigekommen! Und von allein explodiert das Pulver nicht, es muss gezündet werden. Wer wäre so verrückt, sich selbst mit in die Luft zu sprengen? Nein, ich glaube eher an Zauberei!«
    Inareds Augenbrauen vollführten einen wahren Tanz, aber er erwiderte nichts. Der Prinz konnte nur hoffen, dass der Alte das obskure Stichwort aufnahm. 
    »Ehrwürdiger Ratgeber, wir sollten jetzt den Handelshof aufsuchen! Ihr könnt Euch dort etwas ausruhen! Vielleicht finden wir auch Hinweise, ob vor dem Ablegen der Brigantine etwas Ungewöhnliches vorgefallen ist!« Anadid schob seine Hand unter den Ellenbogen des Wesirs und dirigierte den alten Mann fort von den traurigen Überresten des Schiffes und seiner Mannschaft.
    Nur wenig später ließen sich die beiden Männer in der Halle des Handelshofes Wein und einen Imbiss servieren, der auf einer Silberplatte eilig angerichtet worden war. Anadid griff nach einer Scheibe Bratenfleisch und verspeiste sie genüsslich, wobei er den Ratgeber nicht aus den Augen ließ. Inared konnte er nicht so einfach verschwinden lassen wie andere missliebige Personen, nach denen kein Hahn krähte. Der Sultan hielt große Stücke auf den Gelehrten, dem er die Ausbildung und Beratung seines ältesten Sohnes anvertraut hatte. Es musste einen anderen Weg geben,

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