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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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Knast gekommen sind? Sie kriegen jeden.«
    Â»Wer ist ›sie‹?«
    Â»Die Partei.« Er beugte sich über den Tisch und wiederholte flüsternd: »Die Partei, deren Mitglied ich bin.«
    Seine Schwester sank in sich zusammen und verstummte.
    Ein leichter Wind war aufgekommen, der die Lampions über ihnen sanft hin und her wiegte. Ein Blatt segelte herab und landete auf den Oliven. Paul erkannte, dass Yin-Yin nicht mehr die Kraft besaß, mit ihrem Bruder zu streiten. Was mochte in Xiao Hu vorgehen? Er hatte die kühle Distanz, mit der er vor ein paar Tagen beim Thailänder reagiert hatte, abgelegt, die Geschichte war auch zu seiner geworden, im flackernden Schein der Laternen sah Paul, dass sich auf seinem Hals rote Flecken gebildet hatten.
    Â»Was schlagen Sie stattdessen vor?«, fragte Paul vorsichtig. Er wollte Xiao Hu jetzt nicht provozieren.
    Â»Dass ich mich darum kümmere.«
    Â»Sie?«
    Â»Ja.«
    Â»Wie?«

    Â»Ich habe gute Kontakte zu einigen Parteikollegen in Hangzhou. Dort bin ich in der kommenden Woche zu einer internen Schulung und werde mich umhören. Nach allem, was ihr erzählt, vermute ich, dass die Behörden längst Bescheid wissen und etwas unternommen haben. Das posaunen sie bei uns ja nicht gleich durch die Medien. Nach allem, was ich nun weiß, möchte ich nicht mehr ausschließen, dass Sanlitun über eine kleine Entschädigung mit sich reden lässt.«
    Paul bemerkte den Zweifel in Yin-Yins Augen.
    Â»Versprich mir, dass du nichts unternimmst«, forderte Xiao Hu seine Schwester streng auf. »Du würdest nichts erreichen und alle in Gefahr bringen: dich, Papa, Mama. Wenn ich aus Huangzhou zurück bin, sehen wir weiter. Und kein Wort darüber zu Papa, verstanden?«
    Yin-Yin nickte. Sie sagte, dass die Tage sie sehr angestrengt hätten, dass sie müde sei und gern nach Hause und ins Bett gehen würde. Xiao Hu schien das sehr gelegen, er zahlte, und sie gingen gemeinsam zur Ruijin Lu, um Taxis zu suchen. Ihr Bruder nahm auf ihr Drängen den ersten Wagen.
    Â»Ich geh zu Fuß«, sagte Yin-Yin, als er fort war.
    Â»Soll ich dich nach Hause bringen?«, bot Paul an.
    Â»Nein, es ist nicht weit.«
    Â»Was wirst du machen?«
    Â»Erst mal ausschlafen.«
    Â»Und dann?«
    Yin-Yin zuckte kurz mit den Schultern.
    Paul holte Bleistift und Papier aus seinem Rucksack und schrieb ihr seine E-Mail-Adresse und die Hongkonger Telefonnummer auf. »Schreib mir oder ruf an, wenn du Hilfe brauchst. Oder jemanden zum Reden. Notfalls komme ich noch einmal für ein paar Tage.«
    Â»Danke.« Sie zog ihn zu sich heran und umarmte ihn.

    Er spürte ihren Körper in seinen Armen und erschrak, wie dünn und zerbrechlich er sich anfühlte.
    Â»Danke«, wiederholte sie.
    Bevor Paul »wofür« fragen konnte, ließ sie ihn los, verabschiedete sich mit einem Lächeln, drehte sich um und ging die Straße hinunter, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Â 
    Im Hotel fiel Paul todmüde aufs Bett; schon im Taxi hatte er gemerkt, dass der letzte Rest Energie aus seinem Körper wich wie Wasser aus einer Wanne, aus der jemand den Stöpsel gezogen hatte. Er fühlte nichts als Erschöpfung und ein tiefes Glück darüber, dass er morgen zurück nach Hongkong fliegen würde. Die Sehnsucht nach Christine, sie wuchs mit jedem Atemzug. Als hätte er dieses Gefühl in den vergangenen Tagen unterdrückt, nahm es nun mit umso größerer Macht von ihm Besitz.
    Paul robbte über die breite Matratze zum Telefon, er konnte es kaum erwarten, ihre Stimme zu hören.
    Sie klang schläfrig, aber wieder etwas besser bei Kräften. »Beeil dich«, flüsterte sie. »Sag dem Piloten Bescheid. Er soll so schnell fliegen, wie er nur kann. Ich muss dir was erzählen.«
    Â»Dann sag es doch. Ich höre.«
    Â»Nicht am Telefon.«
    Â»Was ist es?«, fragte er neugierig. »Nun komm schon.«
    Â»Eine Überraschung.«
    Â»Was für eine?«
    Â»Eine große.«
    Â»Wie groß?«
    Â»Groß. Riesengroß. Größer als du und ich zusammen. Größer geht nicht.«

XIV
    Christine spürte, wie ihre Knie nachgaben. Doktor Fu griff ihr reflexartig unter den Arm und geleitete sie zu einem Stuhl. Sie setzte sich, atmete schwer, nahm ihre Umgebung nur noch hinter einem grauen Schleier wahr. Ein voller Warteraum, grelles Neonlicht, weiß lackierte Wände.

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