Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
Fischerhütte Deckung gefunden. Vor der Tür lag ein Schilfboot, und ein Netz war daneben zum Trocknen gespannt. Drei Möwen hatten sich auf einem Holzgestell unweit der Tür niedergelassen, und Kemaq war ängstlich darauf bedacht, sie nicht aufzuschrecken, denn das hätte ihn womöglich verraten. Er blieb tief im Schatten, spähte vorsichtig durch die Tür und beobachtete, was da am Ufer vor sich ging. Männer kamen in Booten an den Strand gerudert und brachten eine große Anzahl verschiedenster Gegenstände an Land. Waffen waren darunter, aber vieles war auch in Fässern, Holzkisten und Säcken verpackt. Mehrere Ankay Yayakuna waren im Sand gelandet. Einer war von stattlicher Gestalt und sein graues Schuppenkleid von breiten, rotbraunen Streifen durchzogen. Kemaq hatte ihn schon auf dem Platz gesehen, so wie die anderen Drachen auch.
    Die neuen Fremden waren offenbar ohne Götter gekommen. Der rotbraune Drache fiel Kemaq vor allem deshalb auf, weil der Mann, der von seinem Rücken gestiegen war, eine große Würde ausstrahlte, was vielleicht an den weißen Haaren lag, die unter seinem Helm hervorleuchteten. Auch ihn hatte er schon auf dem Platz gesehen. Er hielt ihn für einen, vielleicht sogar den Anführer der Fremden. Der Weißhaarige besprach sich mit einem Mann, der zu den Neuankömmlingen zählte und Kemaq weit weniger gefiel. Er war auf seine Art auch beeindruckend, mit einem langen, nicht sehr einnehmenden Gesicht, das von einem dunklen Bart gerahmt wurde. Er hatte etwas Anmaßendes an sich, mit jeder Geste und jedem Schritt schien er sagen zu wollen, dass alles, was er sah, ihm gehörte. Er verfügte auch wirklich über Macht, das erkannte Kemaq schnell, denn seine lauten Befehle wurden von den Männern, die zwischen den riesigen Booten draußen auf dem Meer und dem Strand hin und her fuhren, widerspruchslos und eilig befolgt. Auch dieser Neuankömmling trug viel Erz am Leib, aber seine Panzerung sah neben der glänzenden Rüstung des Weißhaarigen beinahe ärmlich aus.
    Kemaq versuchte zu erraten, wie dieser neu angekommene Anführer zu dem Weißhaarigen stand, aber irgendwie schien ihr Verhältnis nicht eindeutig. Beide gaben Befehle, aber nicht einander. War der eine vielleicht Priester und der andere, der Neuankömmling, ein Herrscher oder Kriegerhauptmann? Seine Männer hatten eine große Fahne mitgebracht und am Strand in die Erde gesteckt. Sie war von roter und gelber Farbe und mit allerlei verwirrenden Zeichen bedeckt. Kemaq versuchte, sich möglichst viele Einzelheiten zu merken. Er musste doch bald zurück nach Tikalaq und dem Hohepriester Bericht erstatten.
    Ob er immer noch glaubt, dass wir von Inti gesegnet sind?, fragte er sich. Er zog sich weiter in den Schatten der Fischerhütte zurück. Das Glück hatte ihn und seine Brüder verlassen, und er war voller Sorge, was wohl mit Jatunaq geschehen sein mochte. Seit dieser ihn aus dem Fenster geschoben hatte, hatte er kein Lebenszeichen von ihm erhalten. Kemaq biss sich auf die Lippen. Sie hatten versagt: Die Priester hatten sie ausgesandt, Inti ein würdiges Opfer zu bringen, und sie kehrten mit leeren Händen zurück. Er wusste, wie die Priester Versagen bestraften. Aber es war ja noch gar nicht sicher, dass auch nur einer von ihnen jemals zurückkehren würde, viel wahrscheinlicher war doch, dass sie alle von den Fremden und ihren Göttern getötet wurden. Kemaq kauerte sich in einer Ecke zusammen. All sein Mut war verschwunden, aber ihm wurde klar, dass er trotzdem unbedingt zurückkehren musste. In Tikalaq wussten sie nichts von diesen neuen Fremden. Er hatte sie nicht zählen können, aber es waren sicher zwei- oder dreihundert, und es war nicht abzusehen, wie viele noch in den riesigen schwimmenden Häusern waren. Er musste wieder an den Chimú denken, der von einer unsichtbaren Gewalt niedergestreckt worden war. Nicht nur die Ankay Yayakuna mit ihrem Feueratem waren eine tödliche Gefahr, auch ihre Begleiter verfügten über schreckliche Waffen. Er spähte noch einmal aus der Tür. Die Fremden waren immer noch damit beschäftigt, Dinge an Land zu schaffen. Kemaq entdeckte einige Männer, die begannen, mit mitgebrachtem Holz eine Art Floß zu bauen. Was hatte nun das wieder zu bedeuten? Was immer es war, er musste die Priester warnen, und zwar bald.
    » Was geschieht denn dort unten?«, fragte Mila zum wiederholten Male. Der Wind zerrte an ihrem Mantel und übertönte die meisten Geräusche. Aber sie hörte ganz unzweifelhaft, dass dort

Weitere Kostenlose Bücher