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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Chimú zu widersprechen. Die Männer trugen Rüstungen aus Erz: Helme, schwere Stiefel, und zwei von ihnen hielten überlange Lanzen in den Händen. Einer der Männer gähnte ausgiebig. Bei einem Wettlauf würde er ihnen leicht entkommen. Aber etwas warnte ihn davor, diese Gegner zu unterschätzen.
    » Sie haben nicht einmal Bogen oder Schleudern«, sagte Chumun aufgeregt.
    Genau das gefiel Kemaq nicht. Er dachte an den Pfeil, den sein Bruder ihm gezeigt hatte. Der Reiter des graugrünen Gottes hatte ihn abgeschossen, aber niemand hatte gesehen, dass er einen Bogen hatte. Zwei der Männer trugen diese langen Lanzen, und die anderen drei hielten seltsame Holzprügel in der Hand. Waren es vielleicht Keulen? Erz blinkte dort im Holz, aber sie sahen einfach nicht aus wie Keulen oder Streitkolben.
    » Du kannst tun, was du willst, Chaski«, sagte der Chimú jetzt. » Ich werde es wagen, und die Priester werden meinen Mut und meine Schnelligkeit anerkennen.«
    Kemaq nickte. Wenn sie schnell genug waren, einer vielleicht links, der andere rechts an diesen Männern vorbeistürmte, dann konnten sie draußen sein, bevor die Fremden sich gefasst hatten. Er bückte sich, um die Verschnürung seiner Schuhe zu prüfen, denn dies würde wieder ein Lauf auf Leben und Tod werden. Ein schriller Schrei ertönte, und als Kemaq aufblickte, hatte der Chimú schon drei oder vier Längen Vorsprung. Kemaq verschlug es kurz den Atem. Chumun hatte nicht auf ihn gewartet! Er fluchte und rannte hinterher.
    Der Chimú war schnell, und die Männer am Tor waren überrascht. Es schien fast, als seien sie im Stehen eingeschlafen. Jetzt rappelten sie sich auf, und Kemaq hörte sie fluchen. Die beiden mit den Lanzen stellten sich dem Chimú in den Weg, aber der wich mit flinken Beinen aus und unterlief ihre langen Waffen. Schon war er an ihnen vorbei. Kemaq entschied sich für die andere Seite des Feuers. Die Männer mit den langen Holzkeulen hantierten mit ihren Waffen. Es sah nicht aus, als wollten sie damit zuschlagen. Er hatte keine Zeit, sich über ihr seltsames Benehmen Gedanken zu machen. Das offene Tor lag vor ihm im Morgengrauen. Der Chimú musste doch etwas abbekommen haben, denn er humpelte, und Kemaq hatte ihn schon fast eingeholt. Dann hörte er hinter sich ein lautes Wort in der Sprache der Fremden, und obwohl er nicht verstand, was es bedeutete, prägte es sich ihm unauslöschlich ein: » Fuego!«, befahl eine raue Stimme.
    Das Echo der Schüsse hallte bis zum Palast und wurde abgelöst durch eine tiefe Stille, weil alles auf diesen dreifachen Knall zu lauschen schien.
    » Das kam vom Tor«, stellte Marduk fest.
    » Dann lass uns sehen, was da los ist«, meinte Nabu und spreizte die Flügel.
    » Warte!«, rief Marduk ungehalten, und Nabu gehorchte.
    Unten auf dem Platz wurde geflucht. Balian fuhr seine Männer grob an, weil sie ihm Behemoth nicht schnell genug aufzäumten.
    Mila hörte das leise Schaben seiner Schuppen, als Marduk missbilligend sein Haupt schüttelte. Jetzt wandte er sich wieder ihr zu: » Also, noch einmal, Milena, es ist wichtig, dass du keinem Menschen von der Gabe erzählst.«
    » Nabu hat mich schon gewarnt, dass jemand es für Hexerei halten könnte.«
    » Es ist nicht nur das, Ritterschwester. Es ist selten, dass einer unserer Ritter die Krankheit bekommt, die ihr Menschen den Drachenfluch nennt, weil er zwar die Sinne schärft, aber die Augen blind macht. Nur einer von vielleicht hundert Rittern wird von diesem Schicksal ereilt.«
    Mila hörte den Ausführungen der Drachen ungeduldig zu. Da war ein Kampf oder eine Jagd im Gange, und sie wollte unbedingt daran teilnehmen. Aber Marduk war nicht aus der Ruhe zu bringen: » Einer von hundert!«, wiederholte er. » Und von hundert Erkrankten bemerkt höchstens einer diese Flamme, spät, nach vielen Jahren der Krankheit. Und du? Du hast nicht einmal ein halbes Jahr mit uns verbracht und die Gabe nicht erworben, sondern geerbt.«
    » Du meinst, die Menschen beneiden mich darum, dass ich blind bin?«, fragte Mila und lauschte auf die Geräusche der Stadt. Drachen waren in der Luft, Befehle hallten über den Platz, und Männer rannten fluchend zum Tor.
    Marduk lachte leise. » Sie werden dich nicht um deine Blindheit beneiden, Milena, denn dass die Gabe etwas kostet, das werden sie schnell vergessen. Aber sie werden nicht vergessen, dass du etwas Einzigartiges besitzt, dass du teilhast am Geheimnis der Drachen. Neid ist ein tückisches und gefährliches Wesen, Milena, ein

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