Drachensturm
wollen.«
Melap lächelte plötzlich und betrachtete Kemaq mit einem Blick, in dem dieser Anerkennung zu lesen glaubte. » Du bist gar nicht so dumm, Chaski«, sagte er dann, » doch ich habe dir Pitumis Wunsch übermittelt. Folge ihm, das kann ich dir nur raten. Und jetzt solltest du dich beeilen, bevor du vermisst wirst.«
» Was ist mit dir, Melap?«
» Ich komme nach, sobald ich meine Sandale wieder geschnürt habe. Lauf schon, Chaski.«
Kemaq nickte und trabte los. Der Zug war nicht weit voraus, und er würde ihn schnell einholen. Als er sich noch einmal umdrehte, war der alte Tempeldiener verschwunden.
Die Konquistadoren hatten in den Häusern rund um den Platz Quartier bezogen, und schon in den frühen Morgenstunden machten sie sich auf, unter großem Lärm den Tempel und alle anderen Gebäude, in denen sie Schätze vermuteten, auszuplündern. Mila stand vor ihrem Quartier und hörte zu. Die blinde Zerstörungswut der Männer machte sie zornig, vor allem, weil sie nichts tun konnte, um sie aufzuhalten. Sie hatte ihren Großonkel vorsichtig darauf angesprochen, aber der hatte gesagt, dass man die Männer, die doch ihr Leben bei diesem gefährlichen Unternehmen wagten, gewähren lassen müsse. » Sie sind nicht hier, weil sie den Kaiser so lieben, Milena, sondern weil ihnen reicher Lohn winkt«, hatte er hinzugefügt. Sie hatte im Tempel einige der Gegenstände aus Gold und Silber in der Hand gehalten. Sie waren wundervoll gearbeitet, aber dafür hatten die Männer keinen Sinn: Sie würden alles einschmelzen, um es besser transportieren zu können. Sie seufzte. In einem Haus in der Nähe hörte sie zwei Männer streiten. Sie spitzte die Ohren und erkannte die Stimmen von Francisco und Hernando Pizarro. Sie versuchte herauszuhören, worum es bei dem Streit ging, auch wenn es sehr unhöflich war, andere Menschen zu belauschen. Aber dann bemerkte sie leise Schritte, die sich näherten, und ein Geruch von Schwefel wehte heran. Mila musste lächeln, weil sie dachte, dass die Drachen den Gelehrten mit einer gewissen Berechtigung » Stinker« nannten.
» Ich grüße Euch, Comtesse«, rief der Alchemist. » Ist es nicht erstaunlich, dass diese Männer kaum den Berg heraufkamen und nun doch wieder genügend Kraft gefunden haben, um die Schätze dieser Stadt zu plündern?«
» In der Tat, man kann es erstaunlich nennen, Meister Albrecht«, erwiderte Mila reserviert.
» Ihr werdet es nicht gesehen haben, Comtesse«, plauderte der Gelehrte munter weiter, » aber ich finde noch bemerkenswerter, wie frisch die Indios wirken, die doch das meiste Gepäck hier heraufgeschleppt haben. Sie verkraften die Höhe wirklich viel besser als wir.«
Das fand Mila nun tatsächlich interessant, machte die dünne Luft doch auch ihr zu schaffen. » Habt Ihr dafür eine Erklärung, Meister Albrecht?«, fragte sie.
» Nun, es gibt da eine Pflanze, deren Blätter sie, vermengt mit Kalk, kauen. Kuka wird sie von ihnen genannt. Ein Zauberkraut, das ich mir näher ansehen werde, wenn ich die Zeit dafür finde. Vielleicht sind sie aber auch einfach von Geburt an besser an diese Höhen gewöhnt. Ich habe einige trigonometrische Berechnungen angestellt, Comtesse, ungenau, weil ich die Entfernung der Berggipfel von meinem Messpunkt in Chan Chan nicht exakt kenne, doch kann ich sagen, dass der Berg vor dieser Stadt eine Höhe von rund neuntausendzweihundert spanischen Fuß hat, und die Berge, die wir noch überwinden müssen, erreichen gar zwölftausend Fuß. Es ist erstaunlich, dass Menschen in dieser Höhe ganze Städte errichten.«
Mila nickte. » Mein Großonkel hat ungefähr die gleichen Höhen geschätzt, Meister Albrecht.«
» So, wirklich? Nun, ich habe es gemessen, nicht geschätzt«, erwiderte der Gelehrte und klang leicht beleidigt. Dann seufzte er und sagte: » Immerhin sind Euer Großonkel und ich zum selben Ergebnis gekommen, und das ist doch erfreulich. Doch entschuldigt mich, ich will Don Francisco Pizarro meine Aufwartung machen und mit ihm über unseren zukünftigen Weg sprechen.«
» Ich glaube, ich kann Euch jetzt nicht guten Gewissens zu ihm gehen lassen, Meister Albrecht, denn ich hörte Don Francisco gerade mit seinem Bruder Hernando streiten.«
» Ach? Manchmal beneide ich Euch wirklich um Euer gutes Gehör, Comtesse. Dann sind die beiden Männer, die sich dort anbrüllen, wirklich die beiden Pizarros? Nun ja, wer sollte es auch sonst sein, nicht wahr?«, fragte der Alchemist. » Aber Euer Gehör ist vermutlich
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