Drachensturm
Häusern tragen, Vater?«
Pater Valverdes Stimme wurde etwas düsterer. Er schien verärgert. » Der Mensch, mein Kind, ist leider als Sünder geboren, doch ich hoffe, dir ist bewusst, dass diese Männer hier sind, um viele Seelen für den rechten Glauben zu gewinnen. Und jede gewonnene Seele wiegt viel schwerer als ein Barren Silber, auch wenn unsere Kastilier später viel zu beichten haben werden. Doch höre ich aus deinen Worten eine gewisse Spitzfindigkeit heraus, mein Kind, und das ist Hoffart. Du solltest wirklich dringend zur Beichte gehen.«
» Ja, Vater«, sagte Mila kleinlaut und bat darum, sich zurückziehen zu dürfen.
Sie verließ den Platz und folgte, zunächst ohne zu überlegen, einer Straße, die sie vom großen Platz fortführte. Sie wollte einfach den Lärm, den die Konquistadoren veranstalteten, hinter sich lassen. Bald ebbte der Lärm ab, und sie fühlte sich besser. Sie hatte keinerlei Bedenken, dass sie nicht zurückfinden würde, ihr Orientierungssinn war ausgezeichnet. Sie strich mit der Hand über die rauen Wände der verlassenen Häuser und fragte sich, wer hier gewohnt haben mochte. Einmal blieb sie stehen, denn sie hatte plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. War da nicht das leise Echo von Schritten durch den fernen Lärm der Spanier erklungen? Sie lauschte. Die Straße lag still, der Platz war weit entfernt. Sie hatte einen Verdacht: » Konrad?«, fragte sie in die alles verhüllende Dunkelheit. Sie bekam keine Antwort. Eine Weile wartete sie noch. Sie hatte in der Stadt schon mehrfach das Gefühl gehabt, dass der Junker sie beobachtete, aber sicher wusste sie das natürlich nicht. Er hatte sie zuletzt doch auch in Ruhe gelassen. Sie lauschte in die Dunkelheit, aber es blieb still. Also ging sie weiter, lauschte, außer ihren eigenen Schritten war allerdings nichts mehr zu hören. Immer weiter folgte sie der gewundenen Straße. Sie hätte nicht gedacht, dass dieser Ort so groß war. Ihr fiel bald auf, dass von Zeit zu Zeit hohe Mauern einen Bereich mehrerer Häuser von der Straße trennten. Sie trat in einen dieser Bereiche. Hier bestand der Boden aus gestampftem Lehm, und die Häuser schienen weniger hoch zu sein. Der Ort atmete Verlassenheit. Plötzlich befiel sie das Gefühl, dass sie unerlaubt in das Leben anderer Menschen eindrang. Die leeren Hütten erschienen ihr nun wie eine Anklage. Waren die Menschen nicht ihretwegen geflohen? Sie kehrte eilig um und machte sich auf den Weg zurück zum Platz. Als sie sich der nächsten Wegkreuzung näherte, spürte sie, dass dort jemand auf sie wartete. Sie nahm den typischen, leicht metallischen Geruch eines Drachen wahr, und dann hörte sie ein leises Zischen.
» Nergal«, stellte sie ruhig fest und verlangsamte ihre Schritte.
» Du bist weit von deiner Herde entfernt, Mensch«, begrüßte sie die schneidende Stimme des Drachen. » Hast du keine Angst, dich zu verlaufen?«
» Ich habe meinen Weg noch immer gefunden, Nergal«, entgegnete Mila. Feindseligkeit ging von dem Drachen aus.
» Deinen Weg? Vielleicht mit Hilfe von Drachenaugen?«, fragte Nergal zischend.
» Ich weiß nicht, was du meinst.«
Der Drache lachte leise und höhnte: » Glaubst du, du könntest vor mir verbergen, was du mit Nabu teilst? Er ist ein Narr, dass er dir unser Geheimnis anvertraut.«
» Es ist eine Gabe, Nergal, und nicht Nabu hat sie mir gegeben oder sie mit mir geteilt. Sie ist angeboren«, verteidigte sich Mila tapfer.
» Und sie führt dich auf Pfade, von denen du dich fernhalten solltest, Mädchen, denn leicht könntest du in die Irre gehen und schwer zu Schaden kommen. Oder hat dir Nabu nichts davon erzählt?«
» Wovon?«, fragte Mila und kämpfte mit ihrer wachsenden Verunsicherung. Die Kreuzung war nicht sehr groß, und der massige Leib des Drachen blockierte sie.
Nergal lachte. » Vielleicht ist er doch kein Narr, denn du wärst wohl schreiend davongelaufen, wenn du wüsstest, was ich weiß«, sagte Nergal kalt.
» Und was soll das sein?«, entgegnete Mila trotzig, obwohl sie ahnte, worauf Nergal anspielte.
» Die Gabe ist doch in Wahrheit auch ein Fluch, und der wirkt stärker in dir, je mehr du dich an Nabus Sattel klammerst, und bald wirst du es merken«, entgegnete der Drache.
» Das hat Nabu mir längst erzählt«, erwiderte Mila und versuchte, sich ihre Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. » Und wo ein Fluch ist, da ist auch Erlösung.«
» Nur im Märchen, Prinzessin, nur im Märchen.«
Mila fragte sich, woher der
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