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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Nabu«, unterbrach ihn Mila. » Ich habe wohl ein Recht zu erfahren, warum ich durch diese Straßen irren muss, obwohl ich Nergal nichts getan habe.«
    Das Dach stöhnte unter der Last des Drachen. » Ich werde es dir später erzählen, versprochen, aber jetzt solltest du dich beeilen, denn sonst wird dein Onkel bemerken, dass du verschwunden bist, und noch einen Suchtrupp losschicken.«
    Mila gab widerwillig zu, dass der Drache Recht hatte. Ihr Großonkel hatte wirklich schon genug Sorgen, denen wollte sie keine weiteren hinzufügen.

17 . Tag

    Noch oft blickte Kemaq zurück, aber Melap blieb verschwunden, und nur seine Worte verfolgten Kemaq. Es gab viele Gerüchte über die Wolkenmenschen und ihre geheimnisvollen Kräfte. Kemaq wusste nicht, welche davon der Wahrheit entsprachen und welche nicht. Und er wusste nicht, was er von den Warnungen des Alten halten sollte. Vor allem aber fragte er sich, warum Pitumi ihn unbedingt in Tanyamarka haben wollte. Der Zug war an einem verlassenen Botenhaus ins Stocken geraten. Unweit der Straße lag eine kleine Siedlung, und die Krieger verlangten offenbar schon wieder nach einer Rast. Kemaq belächelte die Männer innerlich, weil sie so schnell müde wurden. Er hätte den ganzen Tag und die ganze Nacht weitergehen können, aber die Krieger sanken am Straßenrand völlig erschöpft ins Gras. Dann sah er, dass Qupay, der sich jetzt wieder meistens in der Nähe des Hohepriesters aufhielt, ihn heranwinkte. Er folgte der Aufforderung ungern, denn die Stimmung zwischen ihm und seinem Bruder war immer noch gereizt. Qupay war schlecht gelaunt und sprach betont von oben herab, als er ihm seinen neuen Auftrag mitteilte: » Geh hinüber zu dieser Siedlung und sage den Menschen dort, dass sie uns von ihren Vorräten bringen müssen, denn die unseren sind bald verbraucht.«
    » Und glaubst du wirklich, dass diese Bauern von dem wenigen, was sie haben, etwas für ein paar Fremde übrig haben?«, fragte Kemaq gereizt.
    » Inti will es!«, lautete die Antwort, und dann wandte sich Qupay ab.
    Kemaq gehorchte widerwillig. Die Felder sahen dürr aus. Auch hier hatte die Regenschlange ihren Segen wohl lange nicht mehr gespendet, aber den Priestern schien das gleich zu sein. Kemaq wusste, dass die Bauern auch noch ihren letzten Bissen den Priestern überlassen würden, denn so verlangte es der Sapay Inka. Pitumi hatte schon Recht: Seine Gesetze waren manchmal grausam. Und er konnte nicht verhindern, dass er plötzlich an die goldhaarige Fremde und die Drachen dachte. Ob sie ähnlich strengen Gesetzen folgten?
    Das Hochgebirge lag endlich hinter ihnen. Unter unsäglichen Mühen hatten die Konquistadoren den schmalen Pass bewältigt, und die Drachen hätten wohl, wie Marduk befürchtet hatte, selbst laufen müssen, wenn Nabu nicht einen Einschnitt gefunden hätte, den ein von Schmelzwasser gespeister Bach noch unterhalb des steilen Pfades in den Fels gegraben hatte. Nun lag die Gebirgskette mit ihren schneebedeckten Gipfeln hinter ihnen, und sie hatten die Hochebene erreicht. Dort am Fuß des Passes wurden sie, wie es der Bote angekündigt hatte, von einer Delegation des Sapay Inka empfangen. Der Mann nannte sich Tucuyricuc, was, wie Mila herausfand, eigentlich ein Titel war, aber einen anderen Namen nannte der Indio nicht. Er war mit sieben Dienern gekommen, schickte jedoch sogleich zwei fort, dem Sapay Inka Bericht zu erstatten. Der Tucuyricuc schien ein außerordentlich stolzer Mann zu sein, zumindest klang seine Stimme so, und er trat selbstsicher und beinahe herrisch auf. Milas Borla schien keinerlei Eindruck auf ihn zu machen. Er wanderte nach einer sehr kühlen Begrüßung durch das Lager der Spanier und nahm, so berichtete Ruiz, alles sehr genau in Augenschein. » Ich glaube, er ist eher ein Spion als ein Gesandter, und er versucht herauszufinden, wer und wie stark wir sind«, sagte er.
    » Und die Drachen?«, fragte Mila neugierig.
    » Er hält Abstand, aber sein Gesicht bleibt unbewegt, wenn er sie ansieht, und ich glaube, er versucht, so zu tun, als würde er ihnen nur zufällig nicht zu nahe kommen, wenn Ihr versteht, was ich meine, Condesa«, erklärte Ruiz.
    » Nicht genau«, erwiderte Mila lächelnd.
    » Ruiz meint, dass er versucht, sich seine Furcht vor ihnen nicht anmerken zu lassen«, erläuterte Don Mancebo, der hinzugetreten war. » Wirklich ein merkwürdiger Mensch. Wäre ich ein Maler und müsste versuchen, den Stolz darzustellen, dann würde ich jenen Indio zur Vorlage

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