Drachensturm
nicht selbst schleppen wollen. Lasst doch einfach einige von ihnen zurück, sie werden uns dann schon noch einholen. Spätestens, wenn wir endlich diese Stadt erreichen, die doch zum Greifen nahe liegt. Vielleicht können aber auch die Drachen mit ihren starken Klauen hier eine Grube ausheben, um …«, fuhr der Gelehrte fort, aber ein empörtes Zischen aus Drachenkehlen unterbrach ihn.
Don Hernando lachte. » Lasst es gut sein, Meister Albrecht. Ich brauche diese Drachen nicht als Totengräber, sondern um dem Feind zu zeigen, mit wem er es zu tun hat.« Dann wandte er sich an die Drachenritter: » Könnt Ihr aufsteigen und die Stadt auskundschaften, Ihr und Eure Ritter, Don Maximilian?«
» Alle vier?«, fragte der Hochmeister. Er schien etwas überrascht.
» Es geht nicht nur um die Stadt. Ich will wissen, ob ich mit noch mehr unangenehmen Überraschungen auf dem Weg rechnen muss, und ich will wissen, wie gut die Mauern der Stadt besetzt sind. Eure Nichte, oder vielmehr ihr Drache, hat keine Krieger erwähnt, und doch haben sie uns heute überfallen. Es wäre von Vorteil, wenn Ihr uns Genaueres mitteilen könntet – wenn Euch das nicht zu viel Mühe macht«, setzte er herablassend hinzu.
» Eines Tages werde ich ihn auf kleiner Flamme rösten«, brummte Nabu, als sie wieder in der Luft waren. Immer noch schwelte das Feuer im Wald, und beißender Qualm brannte Mila in den blinden Augen.
» Kannst du uns nicht aus dem Rauch herausbringen?«, bat sie.
» Aufwind, Prinzessin«, erwiderte der Drache und ließ sich bei einer weiteren Schleife über dem brennenden Wald nach oben tragen.
» Aber wir sind doch schon hoch genug, Nabu«, protestierte sie.
» Dennoch, so eine Gelegenheit will ich nicht ungenutzt lassen«, meinte Nabu gelassen, » nicht, nachdem ich mir vorhin die Lunge aus dem Leib gespien habe.«
Milas Kopfschmerzen kehrten zurück, ein Zeichen, dass sie sehr hoch waren. Der Rauch ließ sich leider von der dünnen Luft nicht aufhalten und stieg ebenfalls hoch auf. Plötzlich erschien wieder die Flamme vor Milas Innerem Auge, und dann zeigte ihr Nabu, was er sah: Da waren die drei anderen Drachen, Marduk, Schamasch und Behemoth, majestätische, strahlende Wesen, die mit weit gespannten Flügeln unter ihnen kreisten und jetzt einer nach dem anderen davonglitten. Mila entdeckte, seltsam undeutlich, am Fuße des langgezogenen Bergrückens, über dem sie kreisten, Tanyamarka. Sie begriff, dass Rauch- oder Nebelschleier über der Stadt lagen. Wie lange sie schon über diese Stadt und die Berge, die sie versteckten, gesprochen hatten! Endlich waren sie also an jenem Ort, von dem sie sich trotz aller Warnungen geradezu magisch angezogen fühlte. Jetzt legte sich auch Nabu ein wenig auf die Seite, spannte die Flügel und trug sie in schnellem Gleitflug hinüber zur Stadt. Behemoth brüllte laut, und Schamasch fiel in das Brüllen ein. Sie kündigten sich an. Wie viele Krieger würden die Stadt verteidigen? Es ist beinahe unerheblich, dachte Mila. Die Spanier hatten Arkebusen, stählerne Schwerter, Pferde, eine Kanone und vier mächtige Drachen auf ihrer Seite. Mila wurde mit einer seltsamen Bitterkeit bewusst, dass Tanyamarka wahrscheinlich noch vor Sonnenuntergang ihnen gehören würde.
Kemaq und Pitumi hatten den Platz erreicht, als sie das Brüllen der Drachen hörten. Krieger hasteten über den Platz zur Mauer, und Curaca Tunkapu stand auf der breiten Treppe seines Palastes und rief den Männern Anweisungen hinterher.
» Wo ist Rumi-Nahui?«, fragte Kemaq schon von weitem.
» Er hat die Stadt verlassen, mit seinen Kriegern«, antwortete der Curaca düster.
» Er ist fort?«, fragte Pitumi, und offensichtlich war sie darüber sehr überrascht.
» Dieser berühmte Feldherr war wohl der Meinung, dass die Stadt nicht zu halten ist, aber das werden wir noch sehen«, meinte Tunkapu. Kemaq bemerkte erst jetzt, dass er einen Streitkolben am Gürtel trug.
» Er ist fort?«, wiederholte Pitumi und wirkte jetzt sehr bestürzt.
» Ich bin froh, dass wir unsere Vorräte nicht mit ihm geteilt haben, denn wir werden sie brauchen, wenn diese Fremden uns belagern. Doch weiß ich nicht, warum er einige unserer Alten mitgenommen hat«, sagte Curaca Tunkapu.
Einige Bewaffnete tauchten aus einer Seitenstraße auf. Kemaq sah auf den ersten Blick, dass es keine geübten Krieger waren. Sie waren entweder zu alt oder zu jung dafür, ihre Holzschilde waren rissig, und ihre Waffen bestanden aus Keulen mit steinernem Kopf
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