Drachensturm
– oder dumm, wenn er vergaß, dass Drachen auch Feuer speien konnten. Nabu glitt nach rechts und damit von der Straße weg. » Was machst du da?«, fragte Mila stirnrunzelnd.
» Er hat den Tunnel erreicht, und ich brauche ein wenig Luft für das, was vielleicht gleich kommt.«
Der Wind, der Atem des Drachen und die Schreie der Raubvögel – sonst war alles still. Dann begannen die Flügel des Drachen wieder zu schlagen. » Er hat Glück oder Verstand, denn er hat den Tunnel wieder verlassen«, knurrte er.
» Wir brauchen einen Plan, Nabu. Mir ist nicht entgangen, dass dein Flügel wenigstens einmal die Bergwand gestreift hat. Ich denke, so werden wir ihn nicht erwischen.«
Nabu rang immer noch nach Luft, und er sprach abgehackt. » Es ist einfach. Entweder, er erreicht einen Ort, wo ich ihn zu fassen bekomme, oder er lernt mein Feuer kennen. Es wird bald dunkel.«
Nach kurzer Überlegung sagte Mila: » Dann lass uns vorausfliegen. Vielleicht finden wir eine geeignete Stelle, um ihn abzufangen.«
Nabu schnaubte und sagte dann: » Auf die einfachsten Dinge kommt man nicht. Wie gut, dass du bei mir bist.«
Dann entfernte er sich ein wenig vom Berg und flog in der Dämmerung einen weiten Bogen durch einige Wolken hindurch, um den Läufer zu überholen, ohne dass er es merkte.
Kemaqs Beine rannten, als ob sie nicht zu ihm gehören würden. Er war völlig außer Atem, aber er konnte einfach nicht langsamer werden, nicht solange der Ankay Yaya hinter ihm her war. Sein Herz raste, sein Kopf drohte zu platzen, und seine Lungen brannten. Er versuchte, sich zu beruhigen. Bislang war er seinem Verfolger entwischt, vielleicht hatte er ihn abgeschüttelt in jenem Felsengang, der nun hinter ihm lag. Soll er wirklich glauben, dass du noch da drinnen bist?, fragte eine innere Stimme. Kemaq stöhnte. Natürlich nicht, aber vielleicht hatte er aus einem anderen Grund aufgegeben, aus einem Grund, den er nicht kannte. War der Jäger nicht ebenso außer Atem wie er selbst gewesen? Hatten die Priester nicht geweissagt, dass die Kraft der fliegenden Götter schwinden würde, ja, dass sie bald zugrunde gehen würden? Vielleicht hatte er sich sogar verletzt, als sein Flügel den Berg gestreift hatte.
Kemaq zwang sich, etwas langsamer zu laufen. Er blickte wieder über die Schulter. Die Dämmerung war weit fortgeschritten, und der fliegende Gott war nicht mehr zu sehen. Kemaq blieb stehen, seine Beine zitterten. Erschöpft lehnte er sich an die Wand. Er beugte sich vornüber, weil er Schleim husten musste. Wie gern hätte er sich ausgeruht, aber er traute dem Frieden nicht. Vielleicht steckte der Yaya noch irgendwo dort unten in den Wolken, oder über ihm am Himmel. Er blickte auf, aber es zeigten sich nur die ersten Sterne.
Kemaq griff in den Gürtel. Pitumis Päckchen – er hatte es verloren! Er stöhnte und zwang sich, weiterzugehen. Seine Beine schmerzten, aber er fürchtete, dass das nur schlimmer werden würde, je länger er rastete. Langsam ging er los, bald fiel er in einen gemächlichen Trab, denn das war eine Bewegung, die seinen Beinen vertrauter war, sie war sogar weniger schmerzhaft als das langsame Gehen.
Der Pfad wand sich immer weiter den kahlen Hang hinauf. Die Baumgrenze hatte Kemaq schon lange hinter sich gelassen, und selbst die dünne Wolkendecke lag schon länger unter ihm. Er fragte sich, was ihn noch alles erwartete. War Rumi-Nahui schon aufgebrochen, oder hielt er die Festung auf dem Pass noch besetzt?
Langsam erholte er sich. Sein Atem wurde ruhiger, und auch seinen Beinen ging es besser. Aber das Licht wurde schwächer, und der Pfad war immer noch schmal und an manchen Stellen geradezu tückisch. Dann endlich erreichte Kemaq eine Felsplatte, die sich weit aus dem Hang hinausschob, ein Platz wie geschaffen, um eine Weile zu rasten. Über ihm glitzerten die Sterne. Kemaq zögerte – es war eigentlich zu dunkel und damit zu gefährlich, um weiterzulaufen. Vielleicht könnte er ruhen, um einen Plan zu schmieden. Er entdeckte eine Feuerstelle im Schutz der Felsen, und es sah aus, als sei der Platz erst vor Kurzem von einem ganzen Trupp Krieger genutzt worden. Kemaq fror im kalten Wind. Etwas an diesem Ort gefiel ihm nicht, etwas stimmte nicht. Er sah sich voller Unruhe um, weil er Gefahr spürte. Halb erwartete er, die schwarze Gestalt des Drachen aus dem dunklen Himmel auftauchen zu sehen, aber da waren nur die Sterne. Dann, ganz plötzlich, löste sich ein großer Felsen aus dem Hang, breitete seine
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