Drachensturm
Meister Albrecht«, sagte der Konquistador jetzt, » die Mine ist hier, und Ihr seid doch nur noch ein oder zwei Sprengungen von der so heiß ersehnten Silberader entfernt. Was soll nun wieder das Gerede von diesem Heidengötzen?«
» Aber wenn ich es Euch sage, Don Hernando, es liegt weit mehr in diesem Berg als Silber, und die Indios wissen etwas darüber. Und ihr Gott Tamachoc hat damit zu tun, so viel weiß ich schon.«
» Gut, Meister Albrecht, hört zu: Ich habe Alvarez, meinem Artilleristen und Sprengmeister, schon mitgeteilt, dass er Euch ab sofort zur Verfügung stehen soll. Außerdem könnt Ihr so viele Indios haben, wie Ihr braucht, um die Mine freizulegen. Was wollt Ihr denn noch?« Der Konquistador klang ziemlich gereizt. Die anderen Männer im Saal wirkten abgekämpft und müde, was kein Wunder war, hatten sie doch an einem Tag zwei Schlachten geschlagen. Nur der Alchemist schien frisch, als habe er an den Anstrengungen des Tages nicht teilgenommen. Mila hörte, dass der Gelehrte zu einer Antwort ansetzte, aber dann innehielt, seufzte und sagte: » Ihr habt Recht, verzeiht bitte, Don Hernando, es ist die Aufregung, dass wir endlich gefunden haben, was wir gesucht haben.«
» Was Ihr gesucht habt, wolltet Ihr wohl sagen«, brummte Pizarro. » Ich hoffe für Euch, dass diese Silbermine den ganzen Aufwand wert ist. Doch jetzt entschuldigt uns, meine Hauptleute und ich, wir haben noch viel zu besprechen. Die Stadt mag in unserer Hand sein, doch ist noch viel zu tun, damit es auch so bleibt.«
Mila hielt diesen Grund für nicht sehr stichhaltig und damit für vorgeschoben. Die Spanier wollten unter sich sein, warum auch immer, aber sie folgte ihrem Großonkel und Sir William hinaus.
» Das war recht beeindruckend, Lady Milena«, lobte Sir William, als sie draußen auf dem Platz vor dem Palast des Curaca waren.
» Die Übersetzung?«, fragte Mila verwirrt.
» Ich dachte eher an Euren Jagderfolg, aber die Übersetzung war zweifellos ebenfalls hervorragend«, sagte der Engländer, klopfte ihr lachend auf die Schulter und ging davon.
» Das Lob sollte Nabu, nicht mir gelten«, meinte sie, als der Ritter schon fort war.
» Du solltest es dennoch annehmen«, sagte ihr Großonkel, » es zeigt, dass sie dich anerkennen. Wenn du hinaus zu Nabu gehst, bestelle ihm dennoch meine Hochachtung für den Erfolg. Ich habe gesehen, wie schmal der Pfad ist, und wie gefährlich daher diese Jagd gewesen sein muss. Jeder andere Drache – und jeder andere Ritter – hätte den Boten vermutlich einfach getötet.«
» Viel wusste er jedoch nicht, Onkel«, sagte Mila.
» Ich denke, er weiß mehr, als er sagte. Den Spaniern wäre das sicher auch aufgefallen, wenn ihre Gedanken nicht von der Gier nach dem Silber abgelenkt wären. Und diese Bemerkung von Don Hernando war reichlich unpassend.« Er klopfte ihr ebenfalls auf die Schulter und sagte dann: » Don Hernando ist ein grober Klotz, weit mehr Schweinehirt als sein Bruder, und das wird sich auch nicht mehr ändern, fürchte ich, aber ich glaube, dieser Indio hat wirklich deine Schönheit bewundert. Du kannst es ihm nicht verdenken, denn er hat wohl noch nie zuvor eine blonde Frau gesehen. Doch jetzt entschuldige mich, denn Fray Celso wollte mich in einer offenbar dringenden Angelegenheit sprechen.«
Mila blieb vor dem Palast stehen und lauschte, wie die Schritte ihres Onkels sich entfernten. Im Inneren des Gebäudes wurde rau gelacht, und noch immer wehte der Rauch des schwelenden Waldbrandes über die Stadt, ansonsten war es geradezu friedvoll still. Mila wusste, wie trügerisch dieser Eindruck war. Es waren viele Indios getötet worden, und selbst die Spanier hatten zwei Verwundete zu beklagen, das hatte ihr Sir William in seiner kühlen Art beinahe beiläufig erzählt. Die Menschen in dieser Stadt mussten sie hassen, aber Mila hatte bislang keinerlei Feindseligkeit in ihnen gespürt oder von den Dienern, die im Palast ihren neuen Herren aufwarteten, auch nur ein Wort der Bitterkeit gehört. Sie fügte das zu den vielen seltsamen Dingen hinzu, die sie an diesem Land nicht verstand. Da hörte sie zwei Stimmen aus dem Palast. Die Männer mussten sich in der Nähe des Einganges aufhalten. Mila wollte nicht lauschen, aber dann erkannte sie die hastige Stimme des Alchemisten und den schleppenden, dumpfen Tonfall Balian von Wolfeggs wieder. Sie hatte sich schon so lange gefragt, was diese beiden Männer miteinander verband, dass sie der Versuchung einfach nicht widerstehen
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