Drachensturm
Inka, die das Silber doch als Schmuck sehr lieben, darauf verzichtet haben«, rief der Alchemist.
» Ihr meint, sie haben so etwas wie einen Fluch gefürchtet?«, fragte einer der Dominikaner.
» Nein, sie haben die Macht des Gottes Tamachoc gefürchtet, denn seine Priester haben dem Inka das Ende seines Reiches vorausgesagt. Inzwischen weiß ich, in welcher Verbindung die Mine mit dem Gott steht. Erst dachte ich, der Tempel sei vielleicht im Berg, doch jetzt erfuhr ich, dass er hinter diesem Berg liegt. Ja, es scheint, als führe die Mine unter dem Gebirge hindurch auf die andere Seite.«
» Das ist unmöglich«, rief einer von Pizarros Leuten. Mila erkannte ihn an seiner Stimme als den Sprengmeister wieder. » Ich habe das Werkzeug dieser Menschen gesehen und diesen Berg. Mit ihren armseligen Stein- und Bronzebeilen kommen sie niemals durch den Fels, nicht in tausend Jahren!«
» Ich will Euch nicht widersprechen, Hauptmann, aber sie sagen ja auch nicht, dass sie den Tunnel selbst gegraben haben – nein, sie behaupten«, der Alchemist senkte die Stimme, » dass die Götter das für sie getan haben.«
» Lächerlich!«, rief Pater Jorge Alonso, der älteste der drei Dominikaner. » Nur ein Gott könnte dieses Wunder tun, und von dem wissen diese Heiden leider immer noch viel zu wenig. Euch aber rate ich, innezuhalten, bevor Ihr unsere Leute mit diesem heidnischen Geschwätz ansteckt!«
» Oh, nichts läge mir ferner«, versicherte der Alchemist eilig. » Ganz im Gegenteil, ich muss Euch doch auch danken, Pater, denn Eure Methoden, die Heiden zu bekehren, haben mir sehr geholfen.«
» Wie meint Ihr das?«, fragte der Priester finster.
» Ihre große Angst vor Feuer, Pater! Sie glauben tatsächlich, dass ihre Seele verloren ist, wenn der Körper verbrannt wird. Eure glänzende Idee, die Heiden mit Hilfe dieser Furcht zur Taufe zu bringen, hat auch mir geholfen, denn zuerst wollten sie mit mir, einem Fremden, nicht reden, wie Ihr Euch vielleicht vorstellen könnt. Es war übrigens Euer jüngerer Bruder Konrad, Graf Balian, der mich auf diesen Einfall brachte.«
» Konrad?«, fragte Balian erstaunt.
» Ja, er war sehr hilfreich, als es darum ging, den Indios Informationen zu entlocken.«
» Mein Bruder arbeitet für Euch – als Handlanger ?«, rief Balian. Mila hörte ein zorniges Beben in seiner Stimme.
» Oh, so würde ich das nicht nennen, Graf Balian«, sagte der Alchemist. Seine Stimme wechselte die Farbe. Der irritierende Überschwang war wie weggeblasen, und sie klang plötzlich verzagt. » Ich würde eher sagen, er unterstützt mich aus eigenem Interesse. Er brennt eben auch sehr darauf, die Geheimnisse dieser Mine zu ergründen.«
Mila schob ihren Teller zur Seite. Der Appetit war ihr gründlich vergangen. » Und Ihr foltert die Indios, nur um heute das herauszufinden, was Euch doch schon morgen der Augenschein verraten würde?«, fragte sie.
» Aber wenn sie doch nichts sagen wollen!«, rechtfertigte sich der Gelehrte.
Mila spürte die Hand ihres Großonkels auf dem Arm. Er wollte sie vermutlich beruhigen, vielleicht auch warnen. Aber sie war wütend: » Das ist abscheulich, Meister Albrecht!«, rief sie. Und da sie hörte, dass die Dominikaner beifällig murmelten, fügte sie hinzu: » Und es ist auch nicht besser, wenn Ihr sie nur mit diesen verwerflichen Drohungen zu unserem Glauben bekehren könnt, Padres!« Sie stand auf. » Entschuldigt mich, mir ist der Appetit vergangen.« Dann ging sie eilig aus dem Saal. Sie hatte den Palast kaum verlassen, als sie Gelächter durch die steinernen Mauern dröhnen hörte. Offenbar hatte irgendjemand einen Witz gemacht, vermutlich auf ihre Kosten.
Mila kochte innerlich. Sie war wütend – auf den Alchemisten, die Priester, die Konquistadoren. Sie versuchte, sich zu beruhigen. Sie war so zornig gewesen, dass sie vergessen hatte, ihre Schritte zu zählen. Jetzt wusste sie nicht, wo genau auf dem Platz sie war. Sie lauschte in die Dunkelheit. Das Gelächter aus dem Palast gab ihr nur eine vage Orientierung, was die Richtung betraf. Sie hätte gerne mit Nabu gesprochen, aber der war draußen bei Schamasch, und sie wollte seine Trauer respektieren. Alles war verkehrt gelaufen, seit sie diesen Ort erreicht hatten: Schamasch und Sir William waren tot, und die Priester bereiteten eine Beschwerde oder vielleicht sogar eine Anklage gegen Fray Celso und ihren Großonkel vor. Ob sie ihre Dokumente einem Drachenritter anvertrauen würden – oder würden sie sich
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