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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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doch auf einen reitenden Boten verlassen? Mila fragte sich, warum Balian eigentlich noch hier war. Hatte ihr Onkel ihn nicht nach Caxamalca schicken wollen? Die Sonne war doch schon lange untergegangen. Vermutlich hatte ihr Onkel den Ritter noch hierbehalten wollen, um bei diesem furchtbaren Festmahl nicht allein gegen Pizarro zu stehen. Sie seufzte. Sie hatte ihrem Zorn Luft gemacht, aber damit die Sache für ihren Großonkel vermutlich weiter erschwert.
    Sie tastete sich in die Richtung, in der sie ihre Unterkunft vermutete, und stieß auf die Häuser, von denen eines ihres war. Aber sie fand es nicht, und da sie annahm, dass Wachen auf dem Platz waren, wollte sie sich nicht die Blöße geben, ihre Hilflosigkeit zu zeigen, und sie spazierte auf und ab, als müsse sie nachdenken. Dann hörte sie ein bekanntes Geräusch. Ruiz schnarchte. Sie ging langsam in die Richtung, aus der sie das Geräusch hörte, aber auf der Schwelle blieb sie stehen. Es kam Nebel auf, sie spürte es auf der Haut, auch roch sie immer noch den schwelenden Waldbrand, und den hielt sie jetzt wirklich für ein böses Omen. Bei dem Festmahl hatte sie etwas gespürt, etwas, was schwer zu greifen gewesen war, eine lauernde Feindseligkeit, von der sie jetzt dachte, dass sie wohl gegen den Hochmeister gerichtet war – und auch gegen sie selbst! Da war etwas im Gange, im Verborgenen. Die Dominikaner hätten ja offen protestieren können, wenn ihnen die Haltung des Hochmeisters nicht gefiel, aber sie hatten es nicht getan. Auch als sie selbst die Padres wegen ihrer verwerflichen Methoden direkt angegangen war, hatten sie nichts erwidert. Es war genau wie in diesem immer noch brennenden Wald: ein im Untergrund schwelendes Feuer, keine Feuersbrunst, aber doch imstande, den ganzen Wald zu vernichten. Mila schluckte. Der Hochmeister stand den Konquistadoren und Heidenbekehrern im Weg wie eine knorrige alte Eiche – oder war es vielleicht sogar der ganze Orden? Sie atmete tief durch. Fiel der Hochmeister in Ungnade, war der Orden enthauptet. Doch was hatten seine Feinde vor? Plötzlich wusste sie, wie sie ihrem Großonkel helfen konnte. Es würde ihm aber nicht gefallen, zum einen, weil sie etwas tun musste, was er ausdrücklich missbilligte, zum anderen, weil sie sich selbst dabei in Gefahr brachte.
    Kemaq arbeitete mit zitternden Händen. Jatunaq war fort, in den Fängen des Kuka Machu. Zuerst war er wie gelähmt gewesen, doch jetzt arbeitete er fieberhaft weiter. Die einzige Hoffnung für seinen Bruder bestand darin, dass er den Durchbruch schaffte. Wenn der Stollen erst einmal offen lag, dann würde der Kuka Machu vielleicht alles andere vergessen. War er nicht selbst, als einziger der Fremden, mehrfach hier vorn gewesen, um den Fortgang der Arbeiten zu überwachen? Jetzt aber war er fort, und Kemaq zerrte mit bloßen Händen an Steinbrocken, die sich im Stollen verkeilt hatten.
    » Du arbeitest wie ein Besessener«, raunte sein Nebenmann, ein Marachuna namens Yanapi, ihm zu.
    Kemaq nickte: » Wir müssen den Stollen freilegen, bevor der Kuka Machu noch mehr Männer fortholt.«
    » Ja, er ist wie ein böser Geist«, bestätigte Yanapi und half Kemaq mit dem Steinbrocken.
    Der Kienspan erlosch. Es war der Letzte, und der Yunga, der sie bewachte, ging, um weiter hinten Nachschub zu holen.
    » Darauf hätte er auch etwas früher kommen können«, murmelte Yanapi verdrossen.
    Kemaq hielt inne. Das nächste Licht war zu weit entfernt und damit zu schwach, um weiter zu arbeiten.
    » Vorhin, als sie nach dem Läufer aus Tikalaq fragten, da warst du gemeint, oder?«, fragte der Marachuna leise.
    » Ja«, erwiderte Kemaq flüsternd.
    » Warum hat sich der andere für dich geopfert?«
    » Er ist mein Bruder.«
    » Ah, ich verstehe«, sagte Yanapi, und Anerkennung schwang in seiner Stimme mit. » Aber warum wollte der Kuka Machu ausgerechnet dich unbedingt sehen? Bisher hat er doch eher die Alten geholt.«
    Kemaq zögerte einen Augenblick. Konnte er dem Mann trauen? Er kannte ihn doch erst seit wenigen Stunden. Aber er würde vielleicht Hilfe brauchen, wenn es so weit war. Also sagte er: » Er hat wohl erfahren, dass ich das Geheimnis dieses Berges kenne.«
    » Du weißt von dem Weg?«, fragte Yanapi lauernd.
    » Ja, und auch, was an seinem Ende liegt.«
    Der Marachuna stieß einen leisen, anerkennenden Pfiff aus. » Dein Bruder ist ein tapferer Mann, Chaski. Ich hoffe, er kann das Geheimnis lange genug schützen.«
    » Du weißt, was ich vorhabe?«, fragte

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