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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Lauf wieder ein wenig, denn angesichts der Ruine war er wie von selbst langsamer geworden. Er spürte doch einen leichten Stich im Knie. Er war schwach, eher lästig als schmerzhaft, und das war erstaunlich, wenn er daran dachte, wie sehr ihn noch am Vortag der Schmerz geplagt hatte. Die Chachapoya verstand ihre Kunst außerordentlich gut. Er fragte sich, ob er sie wiedersehen würde. Ob es Zufall war, dass er an einem Tag gleich zwei Menschen des Wolkenvolkes getroffen hatte? Eine weitere Frage, die er nicht beantworten konnte.
    Ein Schatten huschte ein wenig seitlich über den rissigen Wüstenboden. Kemaq betrachtete ihn. Ein Geier? Das schien ihm am wahrscheinlichsten. Seine Beine trugen ihn voran. Der Schatten kreiste nicht, sondern schien ihm zu folgen. Ein Geier ist das nicht, dachte er.
    Vielleicht könnte er den Hohepriester bitten, ihn noch einmal nach Chan Chan zu schicken, denn dann würde er Pitumi vielleicht wiedersehen, und auch die Fremde mit den goldenen Haaren. Ein bestimmtes Bild wurde er nicht los: Die blasse junge Frau mit dem goldenen Haar, die am Fenster stand und sich die Borla anlegte. Er hatte sie auch zusammen mit dem bläulichen Gott auf dem Platz vor dem Palast gesehen, und die anderen Fremden hatten gestritten. Worüber nur? Im Grunde waren sie ihm sehr fremd, aber doch wie Menschen erschienen. Wenn es Menschen waren, waren sie außerordentlich gefährlich; wenn es Götter waren, dann war es vielleicht Sünde, sie für Menschen zu halten.
    Kemaq lief eine Spur schneller, als könne er die unnützen Gedanken durch Geschwindigkeit abschütteln. Der Schatten war ihm treu geblieben. Ein Kondor, dachte er, obwohl es ihm gleich darauf eigenartig erschien, dass der Kondor sich so weit von den Bergen entfernt haben sollte. Der Größe des Schattens nach zu urteilen, flog er auch ungewöhnlich tief. Der Geruch von verbranntem Lehm und Holz erinnerte ihn daran, wo er war. Er blickte auf und sah die Überreste des Botenhauses vor sich auftauchen. Schnell wandte er den Blick wieder ab.
    Mit den Flügeln des Schattens stimmte etwas nicht. Der Schatten war weiter gewachsen, und die Flügel liefen spitz zu, aber auch nicht wie bei einem Adler, und auch der Schwanz war ganz falsch. Für einen Augenblick setzte Kemaqs Atem aus. Er begriff endlich, was für ein Schatten ihn da verfolgte! Vor ihm ragte das zerstörte Botenhaus auf. Es war die einzige Deckung weit und breit, und es war noch mehr als zweihundert Schritt entfernt. Der Schatten wuchs und wuchs. Kemaq beschleunigte. Er war der schnellste Läufer von Tikalaq, und noch nie in seinem Leben war er so schnell gerannt. Er schaute nicht auf, schaute nicht zurück, denn er wusste, es würde ihn nur Zeit und vielleicht das Leben kosten. Er flog über die Straße dahin. Der Schatten war ebenso schnell. Das Haus kam näher. Kemaq sah verbrannte Körper vor dem Haus liegen. Er achtete nicht darauf. Sein Herz raste, er keuchte, seine Lungen drohten zu platzen, aber seine Beine wurden noch schneller. Der eine Flügel des Schattens hatte ihn schon erreicht, flog mit ihm über die Straße, und Kemaq war sicher, dass er verloren war, wenn erst der ganze Schatten auf ihn gefallen war. Dann kam das Haus, die Mauern geborsten in der Hitze, zum Greifen nah. Kemaqs Füße schienen den Boden kaum noch zu berühren. Er rannte, flog über die Straße, erreichte das Botenhaus, sprang mit einem verzweifelten Satz über die Mauer, taumelte in die nächste Ecke, warf sich zu Boden und wartete auf das Feuer, das ihn verzehren würde.
    Nabu gewann wieder Höhe.
    » Warum bist du so tief geflogen?«, fragte Mila.
    » Ich wollte nur etwas nachsehen«, brummte der Drache zur Antwort.
    » Es roch verbrannt«, stellte seine Menschengefährtin fest.
    » Eines der Häuser, die sie für ihre Läufer bauen. Du erinnerst dich sicher, dass Maximilian befahl, sie zu zerstören.«
    » Ich weiß. Aber dieses war doch schon zerstört, oder?«
    » Ich wollte nur sichergehen«, behauptete Nabu.
    Irgendwie hatte Mila das Gefühl, dass der Drache sie nicht ernst nahm. » Du verschweigst mir etwas«, sagte sie.
    » Ich wollte wirklich nur etwas überprüfen, Prinzessin.«
    » Es wäre mir lieber, du würdest mich nicht so nennen. Ich bin doch nur eine Gräfin, und andere könnten es falsch verstehen.«
    » Ich werde versuchen, daran zu denken«, sagte Nabu und flog eine majestätische Schleife. » Wie findest du es?«, fragte er.
    » Ich bin schon geflogen, auf Marduk.«
    » Aber nie allein,

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