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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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schlanken Körper Milas anzupassen. Ein passender Helm ließ sich jedoch nicht auftreiben.
    » Ich könnte ein paar Männer in die Stadt schicken. Ich meine, ich hätte bei den Indios Helme aus Leder oder Bronze gesehen«, meinte der Marschall.
    » Meine Nichte wird zur Weihe nicht den gebrauchten Helm eines Heiden tragen, Lorenzo«, wies der Hochmeister diesen Vorschlag scharf zurück.
    » Ihr habt Recht. Wenn Pizarro endlich hier ist, werden wir hoffentlich in den Bäuchen der Schiffe ein passendes Stück finden. Hoffen wir, dass sie ihn nicht vorher brauchen wird.«
    War dieser Teil der Vorbereitung noch aufregend für Mila – die manchmal das Bedürfnis verspürte, sich zu zwicken, um sich zu vergewissern, dass das alles kein Traum war –, folgte nun der Teil, der nach Meinung ihres Onkels erheblich wichtiger, aber nach Milas Meinung auch viel unerfreulicher war: Sie wurde zu Fray Celso in die Kapelle geschickt, denn dort sollte sie beichten und dann den ganzen Abend und die kommende Nacht im Gebet verbringen. Vor der Beichte fürchtete sie sich etwas, denn sie hatte vor, etwas Wichtiges vor Fray Celso zu verheimlichen. Sie glaubte zwar nicht, dass ihr Inneres Auge etwas Sündhaftes war, aber dennoch fühlte sie sich unwohl. Sie fragte sich, ob es klug war, sich mit einem Gewissen, das nicht vollkommen rein war, zum Ritter weihen zu lassen. Sie seufzte, als sie die Kapelle, eine geweihte Kammer des Palastes, betrat. Das würden ein langer Abend und eine noch längere Nacht werden, und sie konnte doch schon jetzt den Morgen kaum noch erwarten.
    Es war später Nachmittag, als Kemaq endlich die ersten Felder von Tikalaq erspähte. Er hatte den tückischen Bergpfad mit erstaunlicher Geschwindigkeit bezwungen, und er wusste, dass er das der Paste der Chachapoya zu verdanken hatte. Allmählich machten sich jedoch die Auswirkungen des langen Laufes immer stärker bemerkbar: Seine Schultern schmerzten, aber das war nichts gegen den Schmerz in seinen Beinen. Er hatte am letzten Chaskiwasi nicht einmal mehr angehalten, weil er befürchtet hatte, nicht wieder loslaufen zu können. Jetzt hinkte er durch die Felder seiner Stadt, und er sah das eine oder andere bekannte Gesicht dort. Die Menschen gafften ihn ungläubig an. Vermutlich hatte sich herumgesprochen, wohin er gesandt worden war, und die meisten schienen nicht mit seiner rechtzeitigen Rückkehr gerechnet zu haben.
    Er nestelte das Muschelhorn von der Schulter. Er konnte schon die Stadtmauer sehen. Als er in sein Horn blies, kam nur ein sehr schwacher, krächzender Ton heraus. Er lief weiter. Die Wachen am Tor sahen ihn kommen und machten sich bereit, ihm den Weg zu verstellen. Aber er durfte nicht anhalten. Wieder blies er sein Horn, und dieses Mal war der Ton klar und deutlich. Die Wachen traten zur Seite, und ein Chaski kam aus dem Tor, bereit, die Botschaft zu übernehmen und an ihren Bestimmungsort zu bringen. Aber Kemaq lief einfach an dem verblüfften Yunga vorüber und trabte weiter, auch als der andere ihm etwas hinterherrief, was er nicht verstand. Endlich tauchte der Inti-Tempel vor ihm auf. Kemaq bemerkte ungewöhnlich viele Krieger auf der Straße, und er fragte sich, ob das einfach Männer waren, die mit Atahualpa in den Krieg gezogen waren und nun heimkehrten, oder – und das erschien ihm dann wahrscheinlicher – ob diese Männer sich auf einen Kampf gegen die Fremden vorbereiteten.
    Er hielt nach seinem Bruder Jatunaq Ausschau, konnte ihn aber nicht finden. Dafür kam ihm Qupay, sein anderer Bruder, schon vor den Stufen zum Tempel entgegen. Kemaq sah die Erleichterung in seinen Augen.
    » Inti sei Dank, du bist zurück!«, rief Qupay.
    » Wasser«, stöhnte Kemaq, denn sein Trinkbeutel war schon seit einer Stunde leer.
    » Gleich, doch komm, Huaxamac erwartet dich schon«, entgegnete Qupay und zerrte den entkräfteten Kemaq am Arm weiter in den Tempel hinein. Erst als Kemaq noch einmal krächzend um Wasser bat, gab Qupay einem der herbeigeeilten Diener einen Wink, zog seinen Bruder dabei aber weiter. » Ich habe mir schon ernsthafte Sorgen um meinen Kopf gemacht, Kemaq, wo warst du nur so lange?«
    Kemaqs Kehle war viel zu ausgetrocknet, um etwas zu erwidern. Er stolperte hinter seinem älteren Bruder her und fand sich schließlich in der Kammer wieder, in der er seinen gefährlichen Auftrag erhalten hatte. Seine Ankunft musste schon gemeldet worden sein, denn Huaxamac, der Hohepriester, saß auf einem breiten Sessel und blickte ihn streng, aber

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