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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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ging es ja darum, dass Konrad nicht Ritter werden würde, und natürlich würde Balian seinem Bruder Versagen vorwerfen. Die beiden Brüder hatten ein merkwürdiges Verhältnis zueinander. Schon früher war Mila aufgefallen, dass der ältere eigentlich nicht viel von dem jüngeren zu halten schien. Er setzte ihn immer wieder herab, nicht ganz so öffentlich, wie es der Tressler tat, aber doch war immer wieder spürbar, dass Balian mit seinem Bruder unzufrieden war. Vielleicht, so dachte Mila jetzt, lag es daran, dass sie so unterschiedlich waren: Balian war ein Ausbund roher Kraft, tapfer, brutal, rücksichtslos gegen sich und andere. Konrad war weder stark, noch war er bisher durch Heldentum aufgefallen. Er wirkte nach außen oft freundlich, aber damit maskierte er eine Verschlagenheit und Hinterlist, die Mila bei seinen Gemeinheiten schon oft genug leidvoll hatte zu spüren bekommen. Der Fray und auch ihr Großonkel schrieben diese Streiche dem jugendlichen Übermut Konrads zu, aber Mila spürte in Konrad eine verborgene Bosheit, die mit Übermut nichts zu tun hatte.
    Die beiden Brüder stritten, aber irgendwas sagte Mila inzwischen, dass es nicht um die Wahl ging. Konrad schien etwas getan zu haben, was Balian nicht guthieß, ja, er schien sogar bestürzt zu sein. Ihr Misstrauen war jetzt geweckt. Sie schickte sich an, ihren Platz zu verlassen und doch hinüber zum Fenster zu schleichen, aber dann rief jemand vom Lagerfeuer, dass das Lama fertig war, und die beiden Brüder entfernten sich, ohne dass Mila mehr über diese geheimnisvolle Zusammenkunft herausbringen konnte.
    Kemaq war auf dem nackten Steinfußboden eingeschlafen und sehr verwirrt, als er aus dem tiefsten Schlummer gerissen wurde. Etwas schimmerte golden über ihm, und für einen Augenblick glaubte er, es sei die Fremde, die ihm zulächelte – aber es war nur Melap, der alte Chachapoya, der ihn im Schein einer Kerze grinsend musterte.
    » Was gibt es?«, murmelte Kemaq.
    » Du hast die Götter gesehen. Hast du Tamachoc in ihnen wiedererkannt?«, fragte der Alte.
    » In den Göttern? Nein, ich meine, ja, ich habe sie gesehen. Aber sie sind fremd. Keiner von ihnen ist Tamachoc«, antwortete Kemaq.
    » Du wirst deinen Teil beitragen«, sagte Melap.
    » Was, wozu?«
    Der Chachapoya drückte ihm etwas in die Hand. Es war ein in Blätter gewickeltes Paket mit Essen. Kemaq zögerte, es anzunehmen.
    » Das lässt Pitumi dir schicken, Chaski«, sagte der Alte. » Bewahre es gut, du wirst es noch brauchen.«
    » Pitumi? Wie sollte sie? Ich meine …«
    » Still jetzt. Man kommt, dich zu wecken«, zischte der Alte und blies die Kerze aus. Es musste mitten in der Nacht sein, denn noch drang kein Schimmer von Morgengrau über den Gang in die Kammer. Kemaq hörte Schritte, und dann fiel Licht durch die offene Tür. Jemand kam mit einer Fackel. Der Alte war schon wieder verschwunden. Die Schritte kamen näher, und hastig versteckte Kemaq das Paket in seiner Tasche. Er würde sich später darüber wundern, wie Pitumi Melap so schnell etwas hatte schicken können. Der Mann mit der Fackel war sein Bruder Qupay. » Du bist wach? Ausgezeichnet. Huaxamac hat einen neuen Auftrag für dich.«
    » Der Hohepriester, für mich?«
    » Ja, es ist dir wohl gelungen, Eindruck zu machen, und ich glaube, das wird uns sehr zum Vorteil gereichen.«
    » Uns?«
    » Ja, auch Jatunaq wurde ausgewählt. Aber nun trödle nicht. Der Morgen graut bald, und Huaxamac wartet schon.«
    Kemaq erhob sich. Jeder Knochen im Leib tat ihm weh, aber es war nicht so schlimm, wie er es nach dem harten Lauf vom Vortag erwartet hätte.
    » Geht das nicht schneller?«, drängte Qupay, als Kemaq hinter ihm her schlurfte.
    » Du kannst ja an meiner statt laufen, Bruder«, entgegnete Kemaq mürrisch.
    » Mein Platz ist aber hier, so wie deiner auf der Straße ist, Kemaq. So will es die Ordnung, die Inti für uns ersonnen hat.«
    Kemaq fragte sich, was dieser Unsinn sollte, verkniff sich aber die Antwort, die ihm auf der Zunge lag, denn er wollte nichts Böses über den Sonnengott sagen, nicht in seinem Tempel.
    Der Hohepriester erwartete ihn schon ungeduldig. Besorgt stellte Kemaq fest, dass er keinen Quipu für ihn bereithielt, worin er sofort ein schlechtes Zeichen erkannte, denn das hieß doch, dass es wieder kein gewöhnlicher Auftrag werden würde.
    » Ich sehe, du bist wieder auf den Beinen, Läufer, das ist gut«, begann Huaxamac ungewohnt freundlich. Kemaq verneigte sich stumm. » Wir haben dich etwas

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