Drachensturm
Zeichen schickt, rief sich Kemaq ihre Worte ins Gedächtnis. Am Tor brannten Fackeln, und Kemaq überlegte, ob er von den Chaski, die dort warteten, eine erbitten sollte, aber dann wurde ihm klar, dass sie nicht lange brennen würde. Es erschien ihm besser, die Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Die Sichel des Mondes stand tief im Osten, und wenn er erst einmal den Berg umrundet hätte, würde sie ihm ein wenig Licht spenden. Ansonsten konnte er nur auf sein Gespür für den Weg vertrauen. Das große Opfer, das Qupay vorbereiten darf, soll vermutlich Inti günstig stimmen, dachte Kemaq, als er durch die Felder vor der Stadt lief. Doch was mochte das für ein Opfer sein? Kemaq lief nun in den Schatten des Berges und musste eine Weile stark auf die Unebenheiten des Weges achten. Er wurde langsamer und dachte missmutig, dass er die Krieger auf diese Weise wohl nie einholen würde. Beinahe hätte Kemaq die Abzweigung übersehen, was geradezu lächerlich war, so oft, wie er diesen Weg schon gegangen war. Die Sichel des Mondes tauchte wieder auf. Die Krieger mussten schnell sein und Glück haben, wenn sie vor Sonnenaufgang den Fluss erreichen wollten. Vielleicht bricht sich der eine oder andere auch schon auf dem Weg das Genick, dachte Kemaq grimmig, als er in der Finsternis über die Spalten und Stufen des Pfades hastete. Und er fragte sich, was so wichtig war, dass es nicht warten konnte, bis das große Opfer Inti günstig gestimmt haben würde.
4 . Tag
» Ihr seid doch nicht etwa eingeschlafen, Condesa?«
Mila schreckte hoch. Es war Don Mancebo, der sie geweckt hatte. Die Kapelle, der Ritterschlag! » Aber nein, Don Mancebo, ich war in Gedanken versunken«, behauptete sie.
» Natürlich«, sagte der Maure lächelnd. » Ihr solltet Euer Haar und die Augenbinde richten, es könnte sonst jemand fälschlicherweise annehmen, Ihr wärt doch eingeschlafen. Außerdem habe ich hier etwas Wasser für Euch. Zur Erfrischung.«
Mila murmelte verlegen ein » Danke«. Wie peinlich! Es war der wichtigste Tag ihres Lebens, und sie war eingeschlafen. » Ihr verratet mich doch nicht, Don Mancebo, oder?«
» Ich wüsste nicht, was ich verraten könnte, Condesa. Außerdem, es soll schon ganz anderen Rittern so ergangen sein, wie es Euch nicht ergangen ist.«
Nachdem Mila sich das Gesicht mit kaltem Wasser gewaschen hatte, fühlte sie sich bedeutend frischer.
» Und jetzt?«, fragte sie.
» Jetzt habe ich die Ehre, Euch auf die Stufen des Palastes zu führen, denn dort sind die Ritter und Drachen des Ordens versammelt, um Zeuge dieses bedeutenden Ereignisses zu werden. Jedoch solltet Ihr Euch zunächst umkleiden, Condesa. Dietmar und der Schmied haben die ganze Nacht gearbeitet, um den Waffenrock für Euch anzupassen. Es ist ganz passabel gelungen, würde ich sagen.«
» Er wird wie angegossen sitzen«, behauptete Dietmar.
Mila hatte ihn in ihrer Aufregung gar nicht bemerkt.
» Es wäre angemessen, wenn die Herren mich dann einen Augenblick allein lassen würden«, erklärte Mila.
» Nun stellt Euch nicht so an, Ihr werdet den Rock über Eurem Hemd tragen«, entgegnete Don Mancebo, und dann half er ihr, die leichte Rüstung anzulegen.
» Wie angegossen«, sagte Dietmar zufrieden.
» Vielleicht in der Hüfte etwas eng«, murmelte Mila.
» Das liegt am Wohlleben der letzten Zeit, Comtesse«, erwiderte Dietmar, » aber ich kann sie später noch etwas weiten.«
» Wohlleben?«, fragte Mila.
Don Mancebo lachte. » Nun, als Ritterschwester des Drachenordens solltet Ihr Euch auf entbehrungsreiche Zeiten einstellen. Dann wird diese Rüstung schon passen. Wie trägt sie sich?«
Mila drehte sich in ihrer neuen Rüstung und strich über die gesteppte Oberfläche. Der Waffenrock war luftig und leicht und gab ihr gleichzeitig ein Gefühl von Schutz. » Sie trägt sich wunderbar. Ich kann Euch gar nicht genug für diese Rüstung danken, Don Mancebo, und ich glaube, ich werde mich nur schweren Herzens wieder von ihr trennen.«
» Ich bin sicher, sie steht Euch besser als mir. Es ist schade, dass Ihr Euch nicht sehen könnt, Condesa.«
» Ja«, sagte Mila.
» Gutes Eisen wäre dennoch besser«, brummte Dietmar, » man weiß ja nie.«
Dann reichte ihr der Maure den Schwertgürtel, an dem eine leere Lederscheide baumelte.
» Ich habe weder ein eigenes Schwert noch eigene Sporen«, stellte Mila unglücklich fest, als sie sich gürtete.
» Für ein Schwert werdet Ihr auf dem Rücken eines Drachen wenig Verwendung haben, noch weniger
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