Drachensturm
Georg hätte die Drachen unterworfen, denn Drachen haben gute Ohren, und sie sind in manchen Dingen sehr empfindlich. Seid vorsichtig mit Euren Worten, wenn Euch an ihrer Freundschaft liegt, Condesa.«
Mila versprach es. Dann atmete sie tief durch und nahm Don Mancebos Arm: Sie war bereit, sich zum Drachenritter schlagen zu lassen.
Als sie vor den Palast trat, waren nur die Ritter, Fray Celso sowie Marduk und Nabu dort, wie ihr Don Mancebo zuflüsterte. Es war noch vor dem Morgengrauen, und Mila fühlte eine bleierne Kälte über dem Platz liegen. Sie fröstelte. Don Mancebo führte sie einige Schritte nach vorn und gab ihr dann das verabredete Zeichen, niederzuknien. » Hier kniet Anna Milena Leonore Condesa von Tretzky, erkoren von Al-Nabu von Medina, als Schildmaid hierhergeführt von mir, Don Mancebo de Albaycín, bereit, die Weihe zum Ritter des Ordens der Drachenritter vom Heiligen Kreuz zu empfangen.« Die Stimme des Mauren schnitt klar durch die kalte Luft. Mila lief ein Schauer über den Rücken.
» Und hier stehe ich, Maximilian Johannes Graf von Friedberg, Hochmeister des Ordens der Drachenritter vom Heiligen Kreuz, der sie aufnimmt in unsere Reihen. Möge sie die Schwachen beschützen, dem Recht zum Sieg verhelfen und dem Orden treue Dienste leisten, verpflichtet nur Gott und dem Kaiser.«
Eine Schar Möwen zog mit hellen Schreien über den Hof. Sie kreisten über der Festung und verdarben den feierlichen Moment mit ihrem Lärm. Mila hörte, dass Nabu sich kurz aufrichtete und eine Flammenwolke in den Himmel schickte. Sie konnte nicht sehr groß gewesen sein, aber sie reichte offenbar, die Möwen zu vertreiben. Der Hochmeister räusperte sich, und Mila, die unwillkürlich auf die Vögel gelauscht hatte, wandte sich ihm erschrocken zu. Sie hörte den Schlag, bevor sie ihn spürte: Der Handschuh des Hochmeisters zog durch die Luft und berührte sie leicht an der Wange. Sie war darauf vorbereitet worden und zuckte dennoch leicht zusammen. » Mögest du nach diesem Schlag keinen weiteren mehr erdulden«, sagte der Hochmeister feierlich. Dann spürte Mila die Berührung der Schwertspitze auf der linken, der rechten und dann wieder der linken Schulter. » Du warst eine Edle des Reiches, nun erhebe dich als Ritterschwester unseres heiligen Ordens.« Bei diesen Worten befestigte er etwas an ihrem Umhang. Sie betastete es. Es war eine Spange in Form eines Drachen. Ihr wurde plötzlich klar, dass es jene Spange war, die ihr Onkel bei der Bestattung von der Rüstung Don Rodrigos entfernt hatte, das Drachensiegel. Es versetzte ihr einen Stich, als sie an ihn dachte. Nabu ließ ein tiefes Brummen hören. Mila erhob sich. Sie konnte fühlen, dass ihr Gesicht vor Stolz glühte.
Das Gefühl von Stärke war schon lange verflogen. Der Morgen graute gerade erst, und hier, auf dem steilen Westhang, warf der Berg mit seinen Graten, Vorsprüngen und Klüften tiefe und tückische Schatten. Der Pfad war noch nicht viel mehr als eine kaum zu erahnende Linie im Hang, und Kemaq stolperte über Stufen, die er nicht sah, oder Stufen, die er erwartete, die aber nicht da waren, was seinen ganzen Körper mit harten Stößen durchrüttelte. Die Schmerzen im Knie waren zurückgekehrt, und seit geraumer Zeit hinkte er wieder. Er würde Inti danken, wenn er die Sonne endlich auch über die Berge schickte, und mit Grauen dachte er an den Weg, der hinter ihm lag. Es war ein Wunder, dass er ihn bis hierher ohne schweren Sturz überstanden hatte, und auch dafür, so dachte er, schuldete er den Göttern Dank. Jetzt bemerkte Kemaq eine Bewegung am Hang, einen Schemen in der Dämmerung. Er lief etwas langsamer. Bald war er sicher, dass sich dort ein einzelner Mensch den Berg hinaufschleppte. Es wurde heller, und als Kemaq den Mann fast erreicht hatte, erkannte er ihn: Es war der Yunga-Chaski, der, der den Schuh verloren und sich die Füße blutig gelaufen hatte. Der Yunga blieb stehen, und Kemaq, der wusste, dass er sich das eigentlich nicht leisten konnte, blieb ebenfalls stehen.
» Ich grüße dich, Chaski«, sagte der Yunga matt.
» Und ich grüße dich. Wohin führt dich dein Weg?«
» Zurück nach Tikalaq«, erwiderte der Yunga.
Kemaq starrte den anderen an, aber seine Gesichtszüge waren im Zwielicht nicht zu erkennen. » Du weißt, was dich dort erwartet?«, fragte er langsam.
Der Yunga nickte. » Ich habe meinen Auftrag nicht erfüllt«, stellte er ruhig fest.
» Vielleicht lassen die Priester Gnade walten, denn ich habe ihnen
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