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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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eindeutigen Befehl verstoßen.
    » Ist das Behemoth?«, fragte Dietmar. Der Diener saß hinter Mila. Sie hatte sich sehr gesträubt, jemanden mitzunehmen, darauf verwiesen, dass ihr doch Nabu Augen und Ohren sein könnte, aber der Hochmeister hatte sich nicht erweichen lassen. Mila fragte sich, ob Nabu sie dennoch etwas sehen lassen würde, aber darum bitten konnte sie ihn nicht, nicht, solange Dietmar hinter ihr war.
    » Sie jagen etwas«, sagte Nabu jetzt.
    » Wer?«, fragte Mila.
    » Graf Balian und Behemoth«, erklärte Dietmar.
    Jetzt hörte Mila das höhnische Lachen des Ritters aus der Ferne herüberklingen.
    » Ich glaube, es entwischt ihnen«, verkündete Nabu und klang ziemlich zufrieden.
    » Was, was entwischt ihnen?«, fragte Mila ungeduldig.
    » Es ist ein Indio, er rennt zum Fluss …« Dietmar verstummte.
    » Was geschieht denn dort?«, rief Mila. Dann hörte sie den fauchenden Flammenstoß und kurz darauf ein Knistern wie von brennendem Pergament.
    » Wie schade«, sagte Nabu und flog eine weitere Schleife.
    » Behemoth hat seinen Feueratem eingesetzt und den Verfolgten mit dem Schilf verbrannt«, erklärte Dietmar trocken. » Und jetzt fliegen wir endlich nach Norden, Comtesse.«
    Bald lag die Küste unter ihnen, und Nabu schlug ein gemächliches Tempo an. Dietmar berichtete, dass er eine Weile noch andere Drachen in der Ferne sah, aber die verschwanden bald aus seinem Gesichtskreis. Mila spürte den Wind in ihren Haaren. Es war ein gutes Gefühl. Eigentlich war sie ein bisschen enttäuscht. Sie hatte gehofft, dass ihr Ritterschlag gefeiert werden würde, aber dafür war offenbar keine Zeit. Pizarros Flotte war überfällig, und der Hochmeister hatte zwei Drachen ausgeschickt, nach den Schiffen Ausschau zu halten. Dann hatte er weiteren Rittern befohlen, das Land zu überfliegen, um nach feindlichen Truppen zu suchen. » Sie wissen längst, dass wir hier sind, es ist nur die Frage, wie viele Krieger sie zusammenbringen und wie schnell«, hatte er erklärt. Auch Mila gehörte zu den ausgesandten Spähern, aber immerhin hatte man ihr die Zeit für ein bescheidenes Frühstück gelassen. Jetzt also waren sie in der Luft. » Was siehst du, Nabu?«, rief sie.
    » Ein karges Land, kahle Berge und das Meer: nichts, was sich zu sehen lohnte, Prinzessin.«
    » Warum nennt er Euch Prinzessin, Comtesse?«, fragte Dietmar.
    » Es erscheint mir passend«, antwortete Nabu an ihrer Stelle.
    » Du hast gute Ohren«, sagte Mila verstimmt, denn sie hatte aus Nabus Worten deutlich herausgehört, dass er nicht die Absicht hatte, sie noch einmal an den Bildern aus der bleichen Flamme teilhaben zu lassen.
    Gestern war Nabu so offen gewesen, hatte ihr das Innere Auge gezeigt, als habe das fahle Feuer auch ihn in den Bann geschlagen – doch jetzt war er so schrecklich verschlossen, als würde er sie gar nicht kennen. Ob das nur an Dietmar lag?
    » Ich sehe ein Dorf, Prinzessin.«
    » Es wäre mir lieber, du würdest mich Mila nennen, Nabu.«
    » Ich sehe ein Dorf, Mila«, sagte der Drache, und es klang ein klein wenig spöttisch.
    Mila seufzte. » Gut, dann wollen wir den zweiten Teil unseres Auftrages erledigen. Nabu, bring uns hinunter.«
    Nabu brummte, und dann ging er in schnellen Sinkflug über. Der Wind zerrte an Mila. Sie hörte Dietmar, der hinter ihr seufzte, und sie spürte Nabus mächtigen Körper unter ihrem Sattel. Aber dennoch fühlte sie sich mit einem Mal verlassen und allein.
    Kemaq schlug die Augen auf. Über sich sah er das besorgte Gesicht seines Bruders. » Inti sei Dank, du bist zurück.«
    Kemaq schloss die Augen wieder. Die Erinnerung schüttelte ihn. Der graugrüne Gott, sein aberwitziger Versuch, vor ihm davonzulaufen, seine wilde Flucht ins Schilf, der letzte Haken und ein verzweifelter Sprung. » Du musst dich nicht länger totstellen, der Gott ist fort«, sagte Jatunaq.
    Kemaq setzte sich auf. » Du zitterst«, sagte Jatunaq besorgt. » Wirklich, ich habe noch nie jemanden so schnell laufen sehen wie dich.«
    » Wie bin ich hierhergekommen?«, fragte Kemaq.
    » Ich habe dich aus dem Wasser gezogen. Ich denke, Inti muss dich wirklich mögen, denn er hat dich das Feuer überleben lassen.«
    Die Erinnerung kam zurück. Sein weiter Satz, der Fluss, der ihn in Empfang nahm, und dann die Hitze, der grelle Feuerball, der die ganze Welt zu verschlingen schien. Danach wurde es schwarz.
    » Es war mutig von dir, ihn von uns fortzulocken, kleiner Bruder«, sagte Jatunaq anerkennend. Kemaq blickte sich um.

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