Drachentempel 02 - Drachenfeuer
wunderbar du hierher passt?«
»Ich bin nur Gast!«, sagte er ärgerlich. »Was zur Hölle könnte ich hier schon tun? Kleine Statuen von Nessie für Touristen schnitzen?«
»Du bist ein Teil unseres Lebens. Du hast mit uns gelebt. Du hast mich geliebt. Du hast sogar richtiges Essen gegessen. Und all das hat dir gefallen.«
»Joona, ich war nur ein paar Tage hier. Wir haben eine Urlaubsromanze, das ist …« Sein Unterbewusstsein sandte eine beunruhigende Warnung aus, fast wie einen physischen Stromstoß. »Was meinst du damit, ich habe richtiges Essen gegessen?«
»Echtes Essen.« Ihr flehendes Lächeln wankte nicht eine Sekunde. »Gemüse, das in der Erde gezogen wurde.«
»Scheiße!« Seine Hand schoss hoch und bedeckte seinen Mund, und er starrte erschüttert auf sein halb gegessenes Sandwich. »Ist das … ist das …?« Er brachte es nicht einmal fertig, die Worte auszusprechen. Nicht das . In seiner Schulzeit war ihm immer übel geworden bei dem Gedanken, dass seine Vorfahren gezwungen gewesen waren, Landwirtschaft zu betreiben, um zu essen. Der ganzen Geschichtsklasse war übel geworden.
»Beef von Aberdeenrindern«, sagte sie. »Das Beste, was es gibt.«
»Ist es echt?«, brüllte er.
»Nun ja, es ist echt«, sagte sie, ohne sein Entsetzen zu begreifen. »Der alte Billy Stirling hat eine Herde, unten in Onich. Er schlachtet jeden Monat zwei. Die Nachfrage von den Kleinbauern ist ziemlich groß. Großmutter bekommt ihr Fleisch immer von ihm.«
Lawrences Beine gaben nach, und er kippte nach vorn. Sein Magen verkrampfte sich, und er erbrach sich in den Schnee. Die Spasmen schienen kein Ende nehmen zu wollen. Selbst als er sich völlig entleert hatte, versuchten seine Muskeln noch, den letzten Rest saurer Magensäfte herauszupressen.
Schließlich, als es vorbei war, kniete er auf allen Vieren und zitterte unkontrolliert. Er hob Schnee vom Boden auf und wischte sich damit über die Stirn, dann nahm er etwas davon in den Mund, um den Geschmack zu vertreiben.
»Was ist denn los?«, fragte Joona.
»Was?« Er blickte auf und sah ihr besorgtes Gesicht. Mehrere andere Wanderer waren herbeigekommen, um zu sehen, ob man helfen konnte. »Hast du gefragt, was denn los ist?«
»Ja.« Sie sah verwirrt aus.
»Du hast mir ein verdammtes Stück Tier zu essen gegeben, und du fragst mich noch, was denn verdammt noch mal los ist? Ein Tier! Ein lebendes Wesen! Du bist vollkommen irre, das ist los! Du bist absolut … heilige Scheiße. Wie lange habe ich dieses Zeug schon gegessen?«
Ihr Gesichtsausdruck wurde gequält. »Du hast bei uns gelebt, Lawrence. Was hast du denn geglaubt, was wir essen?«
Er meinte, sich jeden Augenblick erneut übergeben zu müssen. Der Muskelreflex war jedenfalls da, und die Innenseite seines Mundes war tropfnass, doch inzwischen war nichts mehr da, das er hätte erbrechen können. Er schmierte sich mehr Schnee auf die Stirn und erhob sich langsam.
»Lawrence.« Ihre Stimme klang drängend und schrill. Sie streckte die Hand aus, um ihn zu stützen.
Er wich zurück. »Fass mich nicht an! Hörst du, fass mich verdammt noch mal nicht an!« Er stolperte von ihr weg, dann gelang es ihm, seine Beine unter Kontrolle zu bringen, und er setzte sich in Bewegung.
Joona machte ein paar Schritte hinter ihm her. »Lawrence!«, rief sie. »Lawrence, ich liebe dich! Du darfst nicht weggehen!«
Er rannte über den Weg aus zertrampeltem Schnee.
»Ruf mich nicht an! Komm nicht hinter mir her! Es ist vorbei!« Er hielt inne und drehte sich zu ihr um. »Vorbei! Hast du das verstanden? Es ist vorbei. Ich gehe weg.«
Er funkelte ihre kleine verwirrte Zuschauerschaft an. »Danke sehr, und leben Sie wohl.«
Inzwischen hatte er seine Körperbeherrschung fast vollständig zurückgewonnen. Er rannte. Rannte den Zick-Zack-Pfad hinunter. Wurde ein wenig langsamer, als er über das tückische Geröll und die Felsen stampfte. Joggte weiter, bis er an dem Bach vorbei war, der durch die Klamm stürzte. Selbst dann noch, als er erschöpft und ihm schwindlig war von der Anstrengung und dem Schock, eilte er noch das letzte Stück den Berg hinunter weiter.
Er nahm sein Fahrrad aus dem Ständer beim Besucherzentrum und radelte zum Bahnhof in der Stadt. Von dort nahm er den späten Nachmittagszug nach Glasgow. Stieg nach Edinburgh Waverly um, von wo aus ein Express nach Paris ging. Er musste zwei Tage in der französischen Hauptstadt warten, bevor er einen Platz auf einer Zantiu-Braun-Maschine zurück nach Cairns bekam.
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