Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
Vom Netzwerk:
Hannon erkannte die Sequenz und begann mit der ersten und leichtesten der drei Fechtfiguren. Er drang mit einer sauber geführten Attacke auf Jin-pa ein, doch dieser konnte die Klinge mit den gekreuzten Griffen seiner Schwerter leicht abwehren.
    Hannon zog sich zurück und stieg auf die Fußballen, als Jin-pa zur zweiten Figur des Büffeldrachen und damit zum Angriff überging. Er stürmte vor und kreiselnde Klingen näherten sich Hannons Kopf. Beim Büffel ging es vor allem um Wände, um Schwertwände, die den Angegriffenen rückwärts trieben und ihm das Gleichgewicht raubten. Hannon musste den Angriff mit dem rechten Schwert abblocken und mit dem linken auf den weniger gut geschützten Unterleib des Gegners zielen. Das Abblocken gelang ihm, doch sein tieferer Schlag war zu ungestüm und das Gewicht seines Schwertes ließ ihn für die dritte und schwierigste Figur auf dem falschen Fuß landen. Jin-pa machte einen Ausfallschritt, nutzte Hannons instabile Position voll aus und zwang ihn, einen von oben geführten Stoß unbeholfen abzuwehren, wobei er die Klinge im falschen Winkel hielt. Hannon wäre fast davongekommen, doch Jin-pa konterte seine verzweifelte Drehung und seinen tief angesetzten Stoß mit einem geschickten Hieb, zielte dabei auf Hannons Kopf und traf seinen Wangenknochen mit der Breitseite seines Schwerts. Der Aufprall klang, als würde die Eisdecke eines Flusses knacken. Hannon schüttelte den Kopf, während ein Stöhnen durch die Menge ging und aufgeregte Bemerkungen aufstiegen wie Gezischel aus einem Schlangennest.
    Und es wurde nicht besser. Hannon hatte große Mühe, mit Jin-pa mitzuhalten, obwohl der Schwertmeister mit jeder Figur das Tempo ein wenig verlangsamte. Ich zuckte immer wieder unwillkürlich zusammen, wenn er Hannon mit der Breitseite seiner Klinge traf. Was war los? Hannon war in der Angriffssequenz so gut wie Baret. Er beherrschte jede Figur im Schlaf und hatte alle Bewegungen stundenlang vervollkommnet. Lag darin womöglich das Problem? Hatte er alles nur auswendig gelernt, und verließen ihn die eingepaukten Bewegungen nun im Kampf gegen einen realen Gegner?
    Erst bei der allerletzten Figur gelang es ihm, seine Technik wirklich einzusetzen. Er ließ sich auf alle viere fallen, trat nach hinten aus, setzte so Jin-pas linke Klinge außer Gefecht, drehte sich herum, stieß mit dem rechten Schwert nach Jin-pas Oberkörper und hätte dessen hastige Abwehr fast durchbrochen. Ein perfekter Peitschenschlag mit dem Spiegeldrachenschwanz – genau die Figur also, die ich nicht auszuführen vermochte. Ich sah kurz zu Ranne auf. Er ließ die Schultern kreisen, um sich für seinen ersten Anwärter aufzuwärmen. Würde er sich an die für mich getroffene Sonderregelung halten?
    Jin-pa und Hannon verbeugten sich erst voreinander, dann vor Lord Ido und gingen unter dem anerkennenden Getrampel und Gebrüll der Menge über den Sand. Hannon verneigte sich zitterig vor dem Kaiser und nahm dann wieder seinen Platz in der Reihe ein. Seine Bewegungen waren schleppend, seine Erschöpfung und das Wissen um seine Niederlage waren ihm deutlich anzusehen. Als er auf die Knie sank, sah ich schmutzige Tränenspuren über einen roten Wangenstriemen laufen. Die Menge war so gespannt auf weitere Unterhaltung, dass sie die Ankündigung der Herolde in Sprechchören vorwegnahm, was mich an das Bellen von Bluthunden erinnerte. Vielleicht spürten sie unsere Panik.
    Die Herolde mahnten mit Gongschlägen zur Ruhe und riefen dann Callan und Schwertmeister Ranne in die Mitte.
    »Viel Glück«, flüsterte ich Callan zu, doch obwohl ich direkt hinter ihm kniete, schien er mich nicht gehört zu haben. Er schien in eine regelrechte Angststarre verfallen zu sein und betrat den Kampfplatz mit steifen, unbeholfenen Schritten.
    Nun, da Callan nicht mehr vor mir kniete, hatte ich einen ungehinderten Blick in die Arena und auf Rannes unablässige Attacken. Bei ihm gab es kein allmähliches Verlangsamen des Kampftempos, keine Zurückhaltung, was das Austeilen von Schwerthieben anging. Callan wurde so oft und so wuchtig getroffen, dass ich fürchtete, er würde in den Sand stürzen und sich nicht mehr erheben. Sein Heuris war aufgesprungen, und nur die bändigenden Hände seiner Nachbarn hielten ihn davon ab, sich über den Spiegel des Rattendrachen zu schwingen und zu seinem Anwärter zu stürzen. Lord Ido saß lässig auf seinem Stuhl und trank Wein, während die Beamten um ihn herum kerzengerade und in stiller Missbilligung

Weitere Kostenlose Bücher