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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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räusperte sich mit einem warnenden Blick in ihre Richtung und fuhr fort: »Jedenfalls wollen wir keine großen Kämpfe. Warum fliegst du nicht einfach ein paar Runden und zeigst uns, was du kannst. Dann dürfte die Sache klar sein.«
    »Aber das ist doch gar nicht der Punkt«, sagte Temeraire. »Wenn ich so klein wie Moncey wäre …« Er sah sich suchend um, doch Moncey befand sich nicht unter den zuschauenden, kleinen Drachen, weshalb Temeraire sich berichtigte: »Wenn ich so klein wie Minnow hier wäre, sollte es auch nicht anders laufen. Niemand hat die Höhle genutzt, niemand wollte sie haben, ehe ich sie bezogen habe.«
    Requiescat spreizte kurz seine Flügel. »Vorher war sie ja auch nicht die schönste Höhle«, sagte er, und das klang ganz plausibel.
    Temeraire schnaubte zornig, doch Ballista drängte ungeduldig: »Ja, ja, schon gut. Nun zeig schon, was du kannst. Es sei denn, du hast gar nichts vorzuweisen.« Das war mehr, als Temeraire ertragen konnte. Er warf sich in die Luft und schraubte sich rasch in die Höhe, spannte den Körper wie eine Feder und stürzte sich in den Senkflug eines Formationsmanövers. Das dürfte ihnen gefallen, dachte er bitter. Er beendete seine Aufwärmrunde und blieb dann mitten in der Luft stehen, bevor er pfeilschnell nach unten schoss. Natürlich gab er an, aber sie hatten es so gewollt. Als er wieder gelandet war, verkündete er: »Ich werde euch jetzt den Göttlichen Wind vorführen. Allerdings solltet ihr euch besser von der Felswand zurückziehen, denn ich rechne damit, dass ein Großteil davon einstürzen wird.«
    Unter lautem, missbilligendem Gemurmel setzten sich die großen Drachen in Bewegung, zogen ihre Schwänze hinter sich her und warfen Temeraire verärgerte Blicke zu, die dieser allerdings nicht beachtete. Stattdessen holte er mehrere Male tief Luft und blähte seine Brust auf. Er wollte so viel Schaden wie möglich anrichten. Erst jetzt bemerkte er zu seinem Verdruss, dass die Oberfläche des Hangs keinerlei Geröll aufwies und auch nicht aus dem hübschen, glatten, weißen Kalkstein der Höhlen bestand, der so angenehm leicht bröckelte. Er beschnüffelte den Felsen und kratzte mit der Klaue darüber, doch er hinterließ kaum eine Spur auf dem harten, grauen Gestein.
    »Was ist jetzt?«, fragte Ballista. »Wir warten alle.«
    Es half nichts. Temeraire trat einen Schritt von der Klippe zurück
und nahm als Vorbereitung einen letzten, tiefen Atemzug. In diesem Augenblick war über ihm ein eiliges Flügelrauschen zu vernehmen: Moncey ließ sich hinter ihm auf die Lichtung sinken, schnaufte und stieß mit drängender Stimme an Ballista gewandt hervor: »Hört auf damit, es ist alles vorbei.«
    »Hey, was soll das denn?«, fragte Requiescat stirnrunzelnd.
    »Sei still, du Fettkloß«, herrschte Moncey ihn an, was ihm viele erstaunte Blicke einbrachte, denn schließlich war er nicht viel größer als der Kopf des Königskupfers. »Ich komme gerade aus Brecon: Die Frösche haben es über den Kanal geschafft.«
    Ein verwirrtes Stimmengewirr erhob sich überall, und selbst Gentius wachte mit einem leisen Zischen auf. Während alle durcheinanderquasselten, wandte sich Moncey an Temeraire und sagte: »Hör mal, was deinen Laurence betrifft: Man sagt, sie hätten ihn auf einem Schiff namens Goliath eingesperrt …«
    »Die Goliath !«, stieß Temeraire hervor. »Das Schiff kenne ich. Laurence hat mir davon erzählt. Das ist sehr gut – das ist phantastisch. Es ist ein Blockadeschiff, und ich weiß ungefähr, wo es sich gerade befindet. Ich bin mir sicher, in Dover können sie mir genauer sagen, wo ich es finde …«
    »Alter Bursche, ich wünschte, ich müsste nicht so damit herausplatzen, aber es gibt keine Möglichkeit, es dir schonend beizubringen«, fuhr Moncey fort. »Die Frösche haben die Goliath heute Morgen im Vorbeifahren versenkt. Sie liegt jetzt auf dem Grund des Ozeans, und niemand konnte sich retten, ehe sie sank.«
    Temeraire sagte nichts. Ein entsetzliches Gefühl stieg in ihm empor und sammelte sich in seiner Kehle. Blicklos wandte er den Kopf ab und ließ es kommen. Das Brüllen brach aus ihm heraus wie ein Donner, erstickte jedes Wort um ihn herum, und der Felshang vor ihm zersprang wie das Glas eines Spiegels.

3
    Elf Uhr nachts war bereits vorüber, als sie mit den Beibooten des Schiffes den Hafen von Dover erreichten. Unter ihrer eisig kalten, nassen Kleidung schwitzten sie, und ihre Hände waren vom anstrengenden Rudern voller Blasen.

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