Drachenwächter - Die Prophezeiung
hinauf. An der Spitze der Kolonne trafen sie auf Quint Tamat, dessen Gesicht eine angstverzerrte Fratze war. »Sind wir hier oben sicher? Die Drachen können uns hier leicht angreifen!«
»Wir sind nicht in Gefahr«, beruhigte ihn Seld. Er beugte sich nach vorne und atmete schwer.
»Sollen wir auf der Klippe noch weitergehen?«, fragte Quint.
Seld richtete sich auf. Er fühlte Schweiß auf seiner Stirn. »Nein«, sagte er. »Beim Leuchtfeuer ist eine freie Fläche. Dort sollten wir warten. Ich gehe voraus.«
Bevor Quint und Ark etwas sagen konnten, rannte Seld weiter.
Talut Bas stand auf dem Balkon der höchsten Zinne seines Palastes. Der Wind, der vom Meer ins Inland fegte, war hier oben besonders stark und ließ sein rotes Gewand über das Geländer wehen, auf dem er sich mit beiden Händen aufgestützt hatte.
Seine Augen waren auf das goldene Glitzern am Horizont gerichtet.
»Kommt«, murmelte er. »Kommt, Drachen. Hier erwartet euch das Verderben. Verbrennt meine Soldaten mit eurem Feuer, doch ihr könnt den Dämonen nicht entkommen. Feuert ihre Macht an.«
Seld kam an dem Leuchtfeuer auf der Klippe an. Von hier konnte er ganz Klüch, den Verlauf des Heke und das Umland überblicken.
Und er sah die Drachen, die nun über den letzten Hügel vor der Stadt kamen. Es war wie eine goldene Flut, die sich über das Land ergoss und sich stetig der Stadt näherte.
Der Tag war kalt. Graue Wolken waren inzwischen vom Meer aufgezogen und hingen tief am Himmel, und nur an wenigen Stellen war das helle Blau des Himmels auszumachen. Jeden Augenblick konnte der Regen niederprasseln.
Was, wenn die Drachen Seld getäuscht hatten und nun Klüch angriffen? Vor ihrer Macht konnte kein Heer der Welt bestehen, und wenn es ihre Absicht war, konnten sie Klüch vernichten und jeden Menschen töten. Nein, das konnte nicht sein, Seld war sich dessen sicher.
Seld stieg auf einen Stein neben dem Leuchtfeuer, um sein Blickfeld zu vergrößern. Die Heere waren für ihn nur eine riesige Masse, in der er keinen einzelnen Soldaten erkennen konnte, doch er sah, dass die Heere sich nun in Bewegung setzten. Trompetensignale klangen zu ihm herüber, und Seld glaubte, das metallische Klappern von Schwertern zu hören, die gezückt wurden und gegen Schilde schlugen. Hinter den Reihen der Soldaten wurden auf erhöhten Positionen Kanonen geladen.
Die Fläche vor dem Südtor, auf der sich auch die Hequiser aufgehalten hatten, war inzwischen verwaist, doch noch immer hämmerten einige Menschen gegen das verschlossene Tor, alle anderen waren davongeeilt.
Es begann mit einem einzelnen Kanonenschuss. Seld hörte den Knall zu sich herüberwehen, und das lenkte seine Aufmerksamkeit auf den hinteren Heeresteil. Weißer Rauch stieg von einer der Kanonen auf. Schnell ließ Seld seinen Blick zurück zu der Drachenmenge schweifen. Er erwartete, irgendwo in der Menge einen getroffenen Drachen zu finden.
Alle Drachen bewegten sich jedoch unbeirrt weiter.
Nun schossen weitere Kanonen. Mit offenem Mund verfolgte Seld, wie die Geschosse an den Drachen abprallten und in alle Himmelsrichtungen davonflogen. Kein Drache wurde von ihnen verletzt.
Unaufhaltsam näherten sich die Drachen den Soldaten. Die Hauptleute hinter den Reihen gaben Anweisungen, und neue Trompetensignale schallten über das Land.
Kaum hatte die letzte Kanone gefeuert, hoben die Schützen ihre Bögen. Ein Schwarm Pfeile stieg auf und ging auf die Drachen nieder. Seld war nicht überrascht, als er sah, dass auch dies den Drachen nichts anhaben konnte.
Ein weiteres Trompetensignal ertönte. Und die Fußtruppen setzten sich langsam in Bewegung.
Seld verfolgte mit wachsendem Entsetzen, wie die Soldaten auf die Drachen zumarschierten. Es mochten einige tausend Mann sein; viel mehr als die Drachen, doch Seld wusste, dass sie ihnen nichts anhaben konnten. Glaubten sie wirklich, mit ihren Schwertern durch ihre Schuppen dringen zu können? Die Drachen konnten einfach weitermarschieren, durch das Heer hindurch – nichts würde sie aufhalten. Einige wenige Feuerstöße würden genügen, um sämtliche Soldaten des Herrschers auszulöschen. Selds Blick wanderte zu den Hauptleuten in den hinteren Reihen. Warum gaben sie nicht das Signal zum Rückzug? Sie mussten doch erkennen, dass die Soldaten nichts gegen die Drachen ausrichten konnten.
Die Formationen, die bislang geschlossene Reihen gebildet hatten, lösten sich zusehends auf. Besonders die Frontreihen der Hundert schaften wurden löchrig, und
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