Drachenwächter - Die Prophezeiung
schließlich bewegten sich die Soldaten gar nicht mehr. Im Gegensatz zu ihren Hauptleuten schienen die Soldaten zu wissen, dass ihr Angriff aussichtslos war. Seld konnte einzelne Soldaten erkennen, die schon an ihren Hauptleuten vorbei in Richtung Stadt zurückrannten, und diese konnten gegen diese Fahnenflucht nichts tun.
Abermals gaben die Trompeten ein Signal – sie bliesen noch einmal zum Angriff –, doch kein Soldat beachtete es. Von einem Moment zum nächsten befand sich das gesamte Heer von Klüch auf der Flucht, ohne dass dies von den Hauptleuten befohlen worden war.
Da blieben die Drachen stehen.
Alle streckten ihre Hälse zum graublauen Himmel und spien ihr Feuer hinaus. Über den Drachen vereinte es sich zu einem Flammenmeer, das weiter aufstieg und sich langsam zu schwarzem Rauch verwandelte, der Seld für einige Augenblicke die Sicht nahm, bis er sich langsam verzog. Wo die Soldaten von Talut Bas eine Frontlinie gebildet hatten, lagen Waffen und Rüstungsteile verstreut herum, die die Fliehenden fallen gelassen hatten.
Die Drachen hatten ihre Hälse wieder gesenkt, und sie verharrten immer noch auf der Stelle.
Inzwischen kamen die ersten Wagen der Hequiser bei Seld an. Ark und Quint eilten zu ihm, als sie ihn entdeckten, stellten sich zu beiden Seiten neben ihn und blickten zur Stadt.
Mit einem Mal entfalteten alle Drachen ihre Schwingen.
Atemlos verfolgte Seld, wie sie langsam mit ihren Flügeln schlugen und damit den Rauch vertrieben, der über ihnen hing. Immer schneller wurden ihre Bewegungen, ihre massigen Körper lösten sich schließlich vom Boden, und die Flügel trugen die Drachen in die Höhe. Der Wind, den sie erzeugten, kräuselte das Wasser des Heke, und nach einigen Augenblicken waren die letzten Fetzen des schwarzen Rauchs vertrieben.
In der Luft stiegen die Drachen stetig höher, wobei sie Kreise zogen und sich verteilten. Von den Türmen der Stadt wurden weitere Kanonenkugeln abgeschossen, doch auch sie prallten von den Drachen ab und verschwanden in der Ferne oder fielen zu Boden, ohne dass ein Drache Schaden erlitt.
Die Drachen flogen auf die Stadt zu. Ihre riesigen Schatten, die sie auf den Boden warfen, zogen über das Land und über die fliehenden Soldaten hinweg. Das Rauschen, das ihre Flügel erzeugten, vermengte sich mit dem Wind, der vom Meer herüberzog. Als die Drachen direkt über den Soldaten flogen, konnte Seld sehen, dass sich viele Soldaten auf den Boden warfen.
Die Klücher mussten wissen, dass die Drachen sich näherten, denn schrille Trompetensignale hallten nun durch die Stadt. Und sie erwarteten nun sicher, in den Flammen der Drachen zu sterben.
Während die Drachen weiterflogen, löste sich einer aus der Masse und hielt direkt auf die Klippe zu, auf der Seld und die anderen Hequiser standen. Der Drache schlug dreimal kräftig mit den Flügeln und glitt dann mit ausgebreiteten Schwingen durch die Luft.
Seld vernahm eine leise Stimme in seinem Kopf. Es war die Stimme des Drachen, doch dieses Mal hatte Selds Geist nicht seinen Körper verlassen. Der Tag ist gekommen. Wir verlassen Derod , sagte die Stimme, die von überall her zu flüstern schien. Dein Weg ist unserer.
»Wohin geht ihr?« Selds eigene Stimme schien mit der in seinem Kopf zu verschmelzen. Er bemerkte nicht, dass Ark und Quint ihn kurz ansahen.
Zurück , sagte die Stimme.
»Nehmt uns mit euch.«
Nein. Ihr müsst selbst und aus freiem Willen folgen.
Der Drache näherte sich Seld, sank tiefer, so dass seine Flügel fast die Baumwipfel berührten, und als er sich direkt vor Seld in der Luft befand, drehte er nach links ab, schlug noch einmal mit seinen Flügeln und kehrte zu den anderen Drachen zurück.
Diese flogen gerade über die Stadt.
»Komm zurück! Es ist zu gefährlich!«
Galen Cohm hielt sich mit beiden Händen am Fensterrahmen fest, und die Muskeln seiner Unterarme traten deutlich hervor. Er sah seine Tochter hinter der Hausecke verschwinden.
Mesala lief zur alten Brücke, den Blick in den Himmel gerichtet. Trompetensignale erschallten aus allen Ecken der Stadt, und die Gassen von Klüch waren menschenleer. Die Bewohner hatten sich in ihre Häuser verkrochen.
Auf der Brücke angekommen, schaute Mesala auf den Himmel über der Stadtmauer in nordöstlicher Richtung. Die Kante der Mauer war von der Brücke aus gut zu sehen, da sie die meisten Häuser der Stadt überragte. Mesala machte einige Soldaten aus, die auf der Mauer standen und wild gestikulierten.
Als die ersten
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