Drachenwege
Geschöpfe in der Nacht lebhafter, und bei Tag schlafen sie.«
»Ich frage mich, ob ich sie nicht gelegentlich des Nachts nach draußen bringen sollte«, überlegte Kindan.
Meister Zist schüttelte den Kopf. »Warte lieber noch ein Weilchen, ehe du sie aus dem Schuppen lässt. Ich denke, wenn sie soweit ist, ihre Behausung zu verlassen, wird sie es dir unmissverständlich zeigen.«
Nuella legte den Kopf schief. »Vielleicht solltest du ihr ein Halsband mit Glocken anlegen. Stell dir vor, du schläfst gerade, wenn sie sich dazu entschließt, einen nächtlichen Spaziergang zu unternehmen.«
»So wie du bei Nacht draußen herumgestromert bist, als wir beide uns das erste Mal begegneten?«, zog Zenor das Mädchen auf.
Nuella lächelte verschmitzt. »Ja, ich ging bei Nacht spazieren. Aber ich trug kein Schellenhalsband.«
»Du hattest Glück, dass Cristov dich nicht erwisch-te«, gab Kindan zu bedenken.
Nuella schüttelte den Kopf. »Das wäre so schnell nicht passiert. Ich kann Cristov schon aus einer Drachenlänge Entfernung riechen - er benutzt dieses gräss-liche Duftwasser, das seine Mutter bevorzugt.« Sie runzelte die Stirn. »Ich wüsste gern, wie ausgeprägt Kisks Spürnase ist.«
Die anderen dachten über diese Frage nach.
»Das werden wir sicher bald feststellen«, sagte Meister Zist nach einer Weile. Er stand von seinem Platz auf und reckte sich. »Aber nicht heute Abend. Nuella, es wird Zeit für deinen Unterricht.«
»Wir könnten ihn hier stattfinden lassen«, schlug sie vor.
»Nein, Zenor muss heim, er braucht seinen Schlaf«, lehnte der Harfner ab. »Der Unterricht dauert ein paar Stunden, und wir können nicht von ihm verlangen, dass er so lange hier bleibt. Vergiss nicht, dass er dich nach Hause begleiten muss.«
Zenor schnitt eine Grimasse. »Meister Zist hat Recht, Nuella. Außerdem muss ich meiner Mutter helfen.
Selbst jetzt, wo Renna alt genug ist, um die anderen Kinder zu versorgen, muss ich ihr zur Hand gehen.«
»Sie hat viele Aufgaben übernommen, für die früher Kindan zuständig war, stimmt's?«, bemerkte Nuella.
Meister Zist räusperte sich warnend. Nuella wandte sich direkt an Kindan. »Aber natürlich kannst du dich nicht um den Jungwher kümmern und gleichzeitig deine alten Pflichten ausüben.«
»Das ginge wirklich nicht«, räumte Kindan ein.
»Aber mittlerweile scheint es mir, dass ich gar nichts anderes mehr tue, als Kisk zu versorgen.«
Zenor blickte ihn mitfühlend an. »Warte nur ab, Kindan, Kisk wird im Nu ausgewachsen sein, und dann kannst du wieder mit uns in der Grube arbeiten.«
Nach diesen ermutigenden Worten entfernten sie sich. Kindan suchte sich auf dem Boden ein warmes Plätzchen, und Kisk kuschelte sich dicht an ihn, wobei sie eine Reihe von tschilpenden und quiekenden Lauten ausstieß. Aber der Wher schlief nicht ein. Unruhig wälzte sich das Tier von einer Seite auf die andere. Kindan rückte ein Stück ab, doch Kisk kroch abermals zu ihm und schmiegte sich an seinen Körper.
Als der Junge endlich eindöste, beleckte eine warme Zunge seine Wange. Übermüdet öffnete Kindan ein Auge und bemerkte, dass Kisk über ihm kauerte, den Kopf hoch aufgerichtet hatte und ihm ins Gesicht starrte. Kindan gab ein paar tröstende Geräusche von sich und machte das Auge wieder zu.
Dann spürte er die Zunge auf seiner anderen Wange.
Jählings riss er beide Augen auf. Kisk betrachtete ihn mit geneigtem Kopf und fuhr fort, ihn mit flinker Zunge liebevoll abzuschlecken.
»He! Lass das!«, rief Kindan ärgerlich. Bei dem schroffen Tonfall zuckte der Wher zurück und vollführte mit der Schnauze klickende Töne. »Ich bin müde, es ist längst Schlafenszeit - oh nein! Sag jetzt bloß nicht, dass du putzmunter bist!«
Doch binnen fünf Minuten hatte Kisk dem Jungen klar gemacht, dass sie hellwach war und spielen wollte.
Sie fand einen seiner Schuhe, nahm ihn ins Maul und schleudert ihn übermütig in die Luft. Dann fing sie den Schuh mit einer Tatze auf, nur um ihn gleich wieder hochzuwirbeln, und das Spiel begann von Neuem.
»He, das ist mein Schuh!«, schimpfte Kindan und griff danach. Doch kurz darauf merkte er, dass er einen Fehler begangen hatte. Kisk glaubte, er ginge auf ihr Spiel ein, und trachtete mit Eifer danach, ihm den Schuh abzujagen. Zehn Minuten später und nach einer massiven Bestechung mit Fleischbrocken gelang es Kindan, sein Schuhzeug zurückzuerobern.
Kisk war immer noch voller Tatendrang. Des Schuhs beraubt, fing sie an, im Schuppen
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