Drachenwege
die Tonfolge für das Wort »schnell«.
»Es ging alles zu schnell?«, vergewisserte sich Kindan. Der Wachwher nickte.
Im Innern der Grube konnte Kindan das Gas riechen; der scharfe, bittere Geschmack legte sich auf seine Zunge und kratzte im Hals. Er bekam einen Hustenan-fall. Vermutlich war ein Stollen durch eine Schlagwetterexplosion eingestürzt, und derlei Dinge ereigneten sich mitunter so plötzlich, dass selbst der aufmerksam-ste Wachwher überrumpelt wurde.
Dask fiel in einen schaukelnden Trott und führte den Rettungstrupp zu der Stelle, an der der Gang durch he-rabstürzendes Gestein versperrt war. Noch bevor die Männer zu ihm aufschlossen, begann er mit den Klauen zu graben und benutzte seinen massigen Kopf, um losen Felsschutt beiseite zu schieben. Die Kumpel suchten Deckung, um nicht von den umherfliegenden Brocken, die Dasks mächtige Pranken nach hinten schleuderten, getroffen zu werden. Ein beherzter Hauer stellte einen Grubenwagen so auf, dass die meisten Trümmer direkt hineinfielen, derweil sich andere Knappen zu Dask gesellten und ihm beim Graben halfen.
Nun, da die Bergleute wussten, wo sie nach den verschütteten Kameraden zu suchen hatten, versuchte Kindan, den verletzten Wachwher von seiner Arbeit abzuhalten, damit er seine Kräfte nicht völlig veraus-
gabte. Doch Dask ließ sich nicht dazu bewegen, mit dem Buddeln aufzuhören; er grub wie besessen weiter, obwohl er aus vielen Wunden blutete.
Stunden vergingen, derweil Dask unermüdlich den Geröllhaufen in Angriff nahm, und die Kumpel die beiseite geräumten Felstrümmer wegkarrten. Mühsam gruben sie sich einen Gang durch den Schuttkegel.
»Natalon?« In seiner Verzweiflung wandte sich Kindan an den Steiger und zerrte an seinem Arm. »Du musst mir helfen. Ich will Dask an die Oberfläche bringen. Er ist verletzt und verliert zu viel Blut.«
Natalon warf einen Blick auf den Wachwher. »Wir brauchen Dask hier. Offenbar kennt er die genaue Stelle, wo sich die verschütteten Kumpel befinden.«
»Aber er wird verbluten, wenn er sich weiterhin so anstrengt!«, schrie Kindan und krallte die Finger in Natalons Jackenärmel.
»Vielleicht kannst du die Blutungen stillen, Junge, aber du musst ihn hier lassen«, gab Natalon zurück.
»Denk daran, dass bei den Verschütteten auch dein Vater ist.«
Kindan rannte aus der Grube und sauste zu der hastig eingerichteten Sanitätsstation. Am Stand der Sonne sah er, dass bereits der Nachmittag herangerückt war.
»Bitte, gib mir etwas Verbandzeug, Margit«, flehte er die Frau an, die für die Sanitätsstation zuständig war.
»Hat man schon Überlebende ausgegraben?«, erkundigte sie sich. Sie machte ein enttäuschtes Gesicht, als Kindan verneinend den Kopf schüttelte. Er wusste, dass Margits Ehemann in derselben Schicht arbeitete wie sein Vater.
»Wozu brauchst du dann das Verbandmaterial, Kindan?«, fragte sie.
»Dask wurde verletzt, als er ein paar Männer nach draußen führte, die sich retten konnten«, erklärte er und zeigte auf drei Kumpel, die gerade von den Heilern des Camps versorgt wurden.
»Du willst, dass ich dir mein gutes Verbandzeug für den Wachwher gebe?«, protestierte sie.
»Wenn Dask verblutet, ehe er deinen Mann findet, ist es deine Schuld!«
»Du bist ein vorlauter, frecher Bengel!«, schimpfte Margit und schlug mit einem Tuch nach ihm, das sie in der Hand hielt. Geschickt wich er aus, schnappte sich zwei Rollen Verbandzeug vom Tisch und flitzte zur Mine zurück. Um ein Haar wäre er gegen einen mit Felsbrocken gefüllten Karren geprallt, der von zwei Männern zum Ausleeren vor den Eingang geschoben wurde.
Als Kindan wieder den eingestürzten Stollen erreichte, war er völlig außer Atem. Im Schein der Glühkörbe sah er das grünliche Sekret, das Dasks Körper bedeckte, doch der Wachwher fuhr fort, sich durch den Ge-steinsschutt zu wühlen. Kindan drängte sich dicht an das Tier heran, und dabei hörte er, dass Dask vor Anstrengung und Schwäche keuchte. Als das Tier einmal innehielt, weil ein erneuter Schauer aus Staub und Trümmerstücken von der Decke herabregnete, versuchte Kindan, mit einer Bandage die tiefe Nackenwunde zu verschließen, aus der das Blut bei jeder Bewegung des Wachwhers herausspritzte.
Beruhigende Worte murmelnd, bemühte er sich, Dasks Arbeitstempo zu dämpfen. Die Kreatur wandte ihm den Kopf zu, funkelte ihn mit seinen großen Augen wütend an und gab ein warnendes Zischen von sich.
Dann begann der Wachwher mit vermehrtem Eifer zu
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