Drachenzauber
und schon damals wusste ich, dass dieses Wissen gefährlich war. Ich tat so, als hätte ich ihn nicht verstanden, als wäre seine Stimme zu schleppend gewesen.
Vielleicht war es dieses betrunkene Geständnis gewesen, das ihn endgültig gegen mich aufgebracht hatte, aber ich glaubte, dass seine Feindseligkeit noch tiefer gereicht hatte.
»Er betrachtete mich als Rivalen um Hurog. Die Zeit war sein Feind, und ich war ihr Standartenträ-ger.« Das war ein Satz, wie ihn mein Held Seleg in sein Tagebuch hätte schreiben können. Es hätte auf Papier auch besser gewirkt als laut ausgesprochen, also versuchte ich es ein bisschen weniger dramatisch. »Mein Vater verlor nicht gern im Kampf.«
Ich stand auf und ging zu dem polierten Metall-rechteck, das an der Wand hing. Ich sah meinem Vater ähnlich - das Gesamtbild war ohne die Hurog-blauen Augen nicht so aufsehenerregend, aber dennoch eine jüngere Version von ihm. Die Größe kam von der Seite seiner Mutter, aber die Züge waren Hurog. »Ich war sein Nachfolger, eine stete Erinnerung daran, dass er Hurog eines Tages verlieren würde.
Ich bin nicht einmal sicher, ob er es sich jemals bewusst gemacht hat, aber von dem Tag an, als ich zum ersten Mal ein Schwert in der Hand hielt, betrachtete er mich als Gefahr. Wenn du aufgepasst hast, wirst du dich vielleicht daran erinnern, dass die Prügel, die für meine ›Veränderung‹ verantwortlich waren, nicht der erste Anlass waren, zu dem er mich bewusstlos schlug. Wenn er damit weitergemacht hätte, hätte er mich umgebracht, bevor ich alt genug gewesen wäre, um mich zu verteidigen. Und ich hatte das Beispiel meiner Mutter vor Augen, dem ich folgen konnte.«
»Wenn sie in ihren Träumen versank, hat er sie nicht so oft geschlagen wie sonst. Oder ihr Bett aufgesucht«, stimmte der Junge ernst zu.
»Mein Sprachproblem ließ meinen Vater ohnehin denken, dass ich zum Idioten geworden war, also beschloss ich, das auszunutzen.«
»Und warum machst du jetzt, nachdem er tot ist, damit weiter?«
Ich musste mir meine Antwort selbst ertasten. »In den nächsten beiden Jahren wird mein Onkel hier herrschen. Wie mein Vater wurde auch er dazu erzogen zu denken, dass die Stellung des Hurogmeten das Größte ist, was ein Mann erreichen kann. Ich bin nicht sicher, ob er die Herrschaft freiwillig abtreten wird.«
»Bist du so überzeugt, dass er ein Schurke ist? Er war ein netter Junge …« Oregs Stimme verklang zu einem Flüstern. »Zumindest glaube ich, dass es Duraugh war, aber manchmal kann ich mich nicht mehr so gut erinnern.«
Ich schloss die Augen. »Ich kenne ihn nicht besonders gut; ich weiß nur, dass er wenig Geduld mit Idioten hat. Die Götter allein wissen, dass ich auch nicht wollte, dass ein Idiot für Hurog verantwortlich ist. Dazu ist es zu schwierig, hier zu überleben.« Ich zuckte die Achseln und sah Oreg an, der irgendwie nun zu meinen Füßen hockte. »Ich traue ihm nicht.«
Ich hatte mit Oreg mehr gesprochen als je zuvor mit einer anderen Person, wenn man von Ciarra einmal absah. Reden fiel mir immer noch schwer, und es machte mich müde. Ironischerweise fühlte sich Ehrlichkeit erheblich merkwürdiger an als das Lügen.
»Vertrau deinen Instinkten«, sagte Oreg schließlich. »Es wird niemandem wehtun, wenn du noch eine Weile vorsichtig bleibst.«
Dann ging er, aber nicht durch den Geheimgang oder die Tür, sondern er verschwand einfach und ließ mich mit meinen Erinnerungen allein.
Meine Instinkte, wie? Vater war tot, und ich wusste nicht einmal, ob es Freude oder Trauer war, was ich empfand. Hurog gehörte endlich mir, und doch wieder nicht. Sollte ich mich den anderen offenba-ren? Sagen: »Es wird euch vielleicht interessieren zu hören, dass ich nicht wirklich ein Idiot bin«? Ich war mir nicht einmal sicher, ob noch irgendetwas anderes von mir übrig war außer dem dummen Gesicht und der ununterbrochenen Wachsamkeit dahinter. Ich würde abwarten.
Ich stützte die verschränkten Arme auf den Zaun und atmete die frische Morgenluft ein, als Harron, einer der Stallknechte, mir von der Aufregung der vergangenen Nacht erzählte.
Jemand hatte das Tor zur Koppel der Stuten offen gelassen, und Blümchen war schnaubend und stamp-fend auf der Koppel mit der besten Stute meines Vaters gefunden worden … »Die auch noch gerade rossig war, so ein Unglück«, sagte Harron vergnügt. Die anderen Stuten standen sicher in ihren Boxen, aber Motte war ruhelos gewesen. Penrod hatte angenommen, eine Nacht auf der
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