Dracula II
zahlreiche Verstecke. Da konnte man jahrelang suchen, ohne überhaupt eine Spur von ihm finden zu können, falls er sich still verhielt. Das würde Mallmann nicht tun, er schaute nach vorn, er wollte Herrschaft, da konnte er nicht untätig in einem Winkel hocken und schmoren. Er mußte sich zeigen. Wenn sich ein Vampir zeigte, hinterließ er Spuren, die man eventuell zurückverfolgen konnte.
Das hatte der Pfähler vor. Die Spur war das Bild. Und er kannte Experten, Holzschnitzer, einfache Menschen, keine großartig zur Schau gestellten Künstler, die aber ungemein Bescheid wußten und sich auskannten.
Walter Hänle hieß ein solcher Experte!
Frantisek Marek hatte ihn schon vor Jahren kennengelernt. Die beiden Männer waren etwa gleichaltrig, sie schätzten sich. Hänles Vorfahren stammten aus Deutschland, aus dem Schwäbischen, und gerade diese Einwanderer waren es damals gewesen, die dem Inneren des Landes zu einer respektablen blute verholfen hatten.
Jetzt wollte die Regierung ihre Dörfer zerstören, ihnen alles Heimatliche nehmen und die Menschen in die Städte treiben, wo sie in grauen Betonburgen hocken sollten.
Walter Hänle wohnfe in Brasov. Die Stadt wurde von den Rumänien-Deutschen noch immer Kronstadt genannt. Sie war einmal der Stolz der Region gewesen.
Zwar gab es auch noch jetzt die Arkadenhäuser und Laubengänge, aber alles wirkte sehr heruntergekommen, wenn nicht schon verfallen. Es wurde kein Geld dafür ausgegeben, um die Fassaden zu restaurieren oder zu renovieren. Für wen auch? Touristen verirrten sich kaum nach Rumänien. Wenn doch, dann fuhren sie ans Schwarze Meer.
In Kronstadt hatte es geschneit, als Marek eintraf. Auf den Dächern der Häuser und den Straßen lag eine dünne, weiße Decke. Es gab sehr breite Straßen, die trotz der frühen Nachmittagsstunde leer wirkten. Kaum Wagen fuhren durch die Stadt. Und wenn, dann überwogen die Militär-Fahrzeuge.
Marek kannte sich aus. Er tuckerte mit seinem VW in den alten Stadtkern, wo es noch enge Gassen gab und sich die Häuser schutzsuchend gegeneinander drückten.
Früher hatte Hänle hier gewohnt. Frantisek hoffte, daß er ihn noch antreffen würde. Angemeldet hatte er sich nicht. Die Hänles waren gastfreundliche Menschen, sie vergaßen alte Bekannte oder Freunde bestimmt nicht.
In einem schmalen Durchgang stellte Marek seinen VW ab. Der Durchgang grenzte an die Rückseite des Hauses, wo die Hänles wohnten und Walter auch seine Werkstatt hatte.
Er lebte von der Schnitzerei, verkaufte seine kleinen Werke oft unter der Hand, mußte aber auch die offiziellen Märkte bedienen, wo er weniger verdiente und der Staat ihm einiges von seinem schmalen Gewinn abnahm.
Blind sahen die Scheiben der kleinen Werkstatt aus. Es roch nach Holz und nach Rauch, der aus zahlreichen Kaminen kroch und in der grauen Luft kaum auffiel.
Werkstatt und Haus gingen ineinander über, so war es auch bei Marek zu Hause der Fall, denn er besaß noch eine kleine Schmiede und reparierte so ziemlich alles, was mit Metall zu tun hatte. Auf dem kleinen Hof kam ihm eine alte Frau entgegen. Sie hatte den Griffeines mit Eiern gefüllten Weidekorbs unter dem Arm geklemmt und ein Kopftuch umgebunden. Mißtrauisch schaute sie Marek an. Der grüßte freundlich und erkundigte sich, ob Walter Hänle zu Hause war.
»Was willst du von ihm?«
»Ich bin kein Spitzel, nur ein alter Bekannter.«
Die Frau musterte ihn, bevor sie nickte. »Ja, er ist da. Ich habe ihn vorhin noch gesehen.«
»Danke.«
Marek drückte eine Tür auf und wandte sich nach rechts. Der Geruch eines scharfen Pfeifentabaks drang in seine Nase. Er erinnerte sich wieder, daß Hänle gern Pfeife rauchte. Irgendwie fühlte er sich, als wäre er zurück nach Hause gekommen, der Duft kam ihm bekannt vor.
»Komm rein, Frantisek, ich habe dich schon gesehen.« Walter Hänle erhob sich von seinem Schemel und streckte dem Pfähler beide Arme entgegen.
Er war ein großer Mann mit weißen Haaren und einer Haut, die wie gegerbtes Leder aussah. Die Augen blickten scharf. Die Finger waren lang, aber trotzdem kräftig. Der linke Ringfinger fehlte ihm zur Hälfte, seitdem er einmal mit dem Schnitzermesser abgerutscht war.
Marek sah die Drehscheiben, die Werk- und Hobelbänke, das Holz, die fertigen und unfertigen Teile, die Späne auf dem Boden, aber es war auch kalt in der Werkstatt, denn im Ofen brannte kein Feuer.
Hänle nickte, als der Pfähler die Schultern hochzog. »Es ist so etwas mit den Kohlen. Wir heizen
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