Dracula II
im Haus, nicht in der Werkstatt. Doch wenn mir die Hände vor Kälte steif werden, höre ich auf.«
Die beiden Männer umarmten sich. Hänle zurrte den dunklen Schal fest, den er um seinen Hals geschlungen hatte und deutete auf einen zweiten Schemel. »Nimm Platz, mein Freund.« Ohne zu fragen, holte Walter Hänle eine Flasche hervor, deren Inhalt fast wasserklar aussah. Doch Wasser befand sich nicht darin.
Frantisek schaute gegen einen halbfertigen Schrank. Hänle war dabei, noch an den Türen zu arbeiten und sie mit kunstvollen Schnitzerein zu verzieren.
»Machst du so etwas jetzt auch?« fragte er und deutete auf den Schrank.
Hänle nickte nicht gerade begeistert. »Ja, ein hoher Polit-Kommissar bat mich darum. Da kann man nicht nein sagen, wenn du verstehst. Vielleicht brauche ich ihn auch einmal.«
Marek nickte. »Da hast du recht.«
Walter schob ihm ein gut gefülltes Glas zu. »Auf dich, auf uns, auf deinen Besuch bei mir.«
Sie tranken.
Der Schnaps war ein Räuber. Er ›räuberte‹ im Magen umher, aber Marek kannte so etwas, auch er braute für seinen Gebrauch. Sie tranken noch einen zweiten, aßen auch Speck, dazu trockenes Brot und sprachen von den alten und den neuen Zeiten. Letztere bezeichneten beide als sehr schlecht.
Hänle wußte, womit sich Marek beschäftigte. »Jagst du noch immer den Blutsaugern hinterher?«
»Mehr denn je.«
Hänle wischte über seine Augen. Mit der Spitze eines Messers pickte er ein Stück Speck hoch und stopfte es in seinen Mund. »Mehr als sonst, sagst du? Muß ich davon ausgehen, daß sich die Pest ausbreitet?«
»Ich glaube schon.«
Der Rumänien-Deutsche kaute und schluckte. »Ich bin einer der wenigen, die dir glauben, Frantisek. Wenn ich das meinen Enkeln erzähle, halten sie mich für dumm. Aber die wohnen nicht mehr hier. Sie sind nach Deutschland zurück.«
»Wie alt…?«
»Achtzehn und zwanzig, Frantisek. Die Zeit vergeht, obwohl es mir vorkommt, als würde sie für uns stehenbleiben.« Versonnen schaute er gegen das Fenster. »Du bist sicherlich nicht gekommen, um mir nur einen guten Tag zu wünschen.«
»So ist es.«
»Womit kann ich dir helfen?«
Marek räusperte sich. »Es geht eben um diese Vampire, alter Freund. Ich habe eine Spur von ihnen gefunden, komme allerdings ohne deine Hilfe nicht weiter.«
»Hängt es mit meinem Beruf zusammen?«
Marek nickte.
»Schön, Frantisek, dann laß dich nicht zu lange bitten. Was hast du auf dem Herzen?«
Der Pfähler holte die etwas schwache Fotografie aus der Tasche und reichte sie dem Schnitzer. »Du müßtest Licht machen, Walter.«
Er lachte bitter auf. »Das würde ich gern.« Er lachte wieder und ebenso bitter. »Aber du kennst die Probleme. Man rationiert den Strom. In den nächsten beiden Stunden läuft nichts und ab Mitternacht auch nicht.«
»Dann helfe ich dir.« Der Pfähler holte seine kleine Lampe aus der lasche. Er zielte mit dem Strahl genau auf das Blatt und fragte:
»Erkennst du was?«
»Noch nicht.« Er setzte eine Brille auf. Sie besaß ein altes Nickelgestell.
»Man wird alt, die Augen machen da nicht mehr so mit.« Jetzt schaute er genau hin. »Was soll das sein?«
»Eine Heiligenfigur.«
Walter Hänle schüttelte den Kopf. »Hast du kein besseres Foto auftreiben können?«
»Schon, das haben andere.«
»Gut, was willst du wissen?«
Frantisek beugte sich vor. »Wenn du trotz dieser schlechten Kopie erkennen könntest, wo ich diese Figur finden kann, wäre ich dir sehr dankbar.«
Hänle nickte, holte eine Lupe und untersuchte den Abzug genauer. Er ließ sich Zeit.
Von draußen hörten sie Frauenstimmen, doch es betrat keine Person die Werkstatt.
»Es ist die heilige Jovanka«, gab ihm Marek Schützenhilfe.
»Das habe ich mir schon gedacht«, murmelte Hänle. »Ich gehe mal davon aus, daß es sich bei ihr um eine alte Figur handelt — oder?«
»Damit rechne ich auch, jetzt möchte ich nur erfahren, wo ich sie finden könnte.«
»Frag mich lieber, wie in zehn Wochen das Wetter wird. Das ist leichter zu beantworten.«
»Keine Chance?«
»Das habe ich nicht gesagt. Man muß da vorgehen wie ein Detektiv.«
Hänle kratzte an seiner faltigen Stirn. »Heiligenfiguren gibt es in diesem Land sehr viele, sie sind noch überall verteilt. Hast du einen Hinweis, Frantisek?«
»Ja, den könnte ich haben. Ich gehe davon aus, daß diese Figur aus der Umgebung stammt.«
»Kronstadt nicht.«
»Nein.«
»Welcher Umkreis?«
»Hundert Kilometer.«
Hänle nickte. »Da könnten
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