Dracula II
über gar nichts wundern.
Hinter Marek fiel das schwere Portal wieder zu. Er hatte nichts dazu getan.
Geisterhafte Hände mußten sich der schweren Eingangstür bemächtigt haben.
Um sicherzugehen, drehte sich der einsame Mann um. Nein, hinter ihm hatte niemand die alte Kirche betreten. Er befand sich nach wie vor allein in dieser Stätte.
Wenn Licht in das Kirchenschiff floß, drang es nur durch die Fenster. Andere Quellen entdeckte Marek nicht. Es waren auch keine Kerzen angezündet, wie man es eigentlich hätte erwarten können. Die Kirche war zwar hoch, gleichzeitig auch sehr kompakt gebaut. Sie besaß keine großartige Tiefe, die vorhandenen Bankreihen hielten sich in zählbaren Grenzen, und Marek nahm den Weg, der sie teilte.
Schritt er geradeaus weiter, erreichte er den Altar. In seiner dicken, vorn offenen Winterjacke wirkte er ebenfalls wie ein Gespenst, als er sich durch die Kirche bewegte. Den Blick starr nach vorn gerichtet, immer wieder lauernd, die Augen leicht verengt und auf jedes fremde Geräusch lauschend.
Verdächtige Laute hörte er nicht. Wenn etwas gegen die Außenseiten der Scheiben schlug, waren es die von heftigen Windstößen bewegten Zweige der umstehenden Bäume, denn der Wind hatte in den letzten Minuten aufgefrischt.
Im Hinterkopf behielt er stets die Gedanken an die Heiligenfigur. Sie hatte ihm die Spur gegeben. Sollte sie tatsächlich aus dieser Kirche stammen, mußte sie in der Nähe des Altars gestanden oder gehangen haben.
Allmählich schoben sich auch für Mareks Sicht die Umrisse des Altars aus dem Dämmerlicht. Die Mönche hatten ihn damals relativ prunkvoll gebaut. Man konnte von einem Hochaltar sprechen, vor den genau ein heller Fleck oder Lichtschein fiel, wenn die Sonne über dem alten Kloster stand.
Marek schaute in die Höhe.
Direkt über ihm befand sich ein rundes Fenster im Dach der Kirche. Es kam ihm vor wie ein graues Auge, hinter dem sich geheimnisvoll die ebenfalls grauen Wolken bewegten.
Der einst so prächtige Hochaltar bot ein schlimmes Bild. Jemand hatte ihn geplündert, regelrecht ausgeraubt. Grausame Hände, die entweihen wollten. Kein Blumenschmuck, kein christliches Symbol. Weder ein Kreuz noch eine Malerei. Mit Waffen mußte gegen den Holzaufbau geschlagen worden sein. Was noch vorhanden war, konnte man nur als Stückwerk bezeichnen.
Marek preßte die Lippen zusammen. Seine Hände zitterten, als er daran dachte, wer hier die Kirche verwüstet hatte. Das konnten nur die Blutsauger gewesen sein.
Und den Weg hierher hatte auch Czesny gefunden. Doch er war beobachtet worden, man hatte ihn unter Kontrolle gehalten, man… Mareks Gedanken brachen ab. Er hatte sich nach links gedreht, sein Blick war gegen eine Wandnische gefallen, und seine Augen weiteten sich plötzlich.
Da hing die Figur!
Sie stand auf einem Sockel in der Nische und sah so aus, wie Czesny sie fotografiert hatte.
Marek trat näher an die heilige Jovanka heran. Obwohl sie relativ hoch hing, konnte er sie gut erkennen, denn sie hielt ihren Kopf leicht gesenkt, als wollte sie dem Betrachter in die Augen schauen. Die Nische war düster, beinahe schon dunkel. Marek nahm seine Taschenlampe zu Hilfe und traf mit dem Strahl direkt den Kopf der Heiligen.
Das Gesicht bekam einen blassen Schein, aber das D auf der Stirn trat deutlicher hervor. Als wäre es frisch gemalt oder mit neuem Blut gefüllt worden. So deutlich hatte er sich das Zeichen nicht vorgestellt. Es war die einzige Figur in der entweihten Kirche. Der Bau hatte ihren Namen getragen, aber die heilige Jovanka befand sich nun unter der Kontrolle des Blutsaugers Mallmann.
Frantisek Marek gehörte zu den Menschen, die alles genau wissen wollten. Deshalb ging er noch näher, streckte den Arm aus und faßte die Figur an.
Ja, sie bestand aus Holz, das war genau zu fühlen. Aber der Pfähler spürte noch mehr.
Die Figur hätte eigentlich kalt sein müssen und nicht so ungewöhnlich warm. Es kam ihm vor, als hätte er die Haut eines Menschen angefaßt. Lebte die heilige Jovanka?
Vorstellbar war dies nicht, doch der Pfähler wußte genau, daß ein Supervampir wie Mallmann gewisse Gesetze und Grenzen außer Kraft setzen konnte.
Das große D auf der Stirn glühte. Marek konnte seine Blicke nicht von diesem Buchstaben nehmen, der ihm den Eindruck machte, als wollte er ihn hypnotisieren.
Der Pfähler war stärker. Er hatte seine Zeit gebraucht und sich nun entschieden.
Da nur der schmale Holzsockel mit der Wand befestigt gewesen war,
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