Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker
Jahrhunderten gehüllt waren, Frauen mit schwellenden Formen, klaren,
grausamen Augen, weißen Zähnen und wollüstigen rubinroten Lippen.
»Sie sind es. Genau wie Jonathan sie beschrieben hat!«, murmelte der Professor.
Es gab keinen Zweifel. Dies mussten Draculas Schwestern sein. Sie waren alle drei hinreißend schön, mit so vollkommenen Gesichtszügen
und Körpern, dass es mir beinahe den Atem verschlug. Zwei hatten wie Dracula schwarzes Haar. Eine – die Schönste von allen
– war blond. Und sie sahen alle drei ihrem Bruder frappierend ähnlich. Alle lächelten und deuteten lachend auf mich, während
sie etwas in einer fremden Sprache sagten. Ihre Stimmen waren süß und leise wie liebliche Musik. Instinktiv wanderte meine
Hand zu dem Revolver, den ich in einem Täschchen an der Hüfte trug, aber bisher noch nie benutzt hatte. Der Professor sagte:
»Kugeln sind gegen Vampire nutzlos, Frau Mina.«
»Was sollen wir denn machen?«
»Nichts. Wir haben keine Chance gegen sie, wenn sie im Vollbesitz ihrer Kräfte sind. Wir müssen warten, bis der Tag hereinbricht.«
Die Frauen redeten weiter in ihrer fremden Sprache. Ihr Tonfall war seltsam beruhigend und verführerisch. Die Worte schienen
an mich gerichtet zu sein. »Was sagen sie, Professor?«
»Sie gurren: Komm, Schwesterchen, komm! Komm zu uns. Komm!«
Ich zuckte zusammen. Daraufhin sagte eine der Vampirfrauen in hochmütigem Englisch mit starkem Akzent: »Ziehst du es vor,
dass wir deine Sprache sprechen, englisches Mädchen?«
»Komm schon, englisches Mädchen!«, forderte mich lachend eine andere auf.
»Warum bleibst du bei diesem alten Mann?«, höhnte die Blonde. »Wir kennen viele junge, hübsche Burschen. Wir teilen |464| sie alle mit dir.« Sie machte eine lüsterne Geste und bewegte wollüstig ihren Körper.
Mein Herz schlug heftig vor Angst, Entsetzen und Abscheu, aber ich war unfähig, meine Augen von ihnen zu wenden. War mir etwa
das Schicksal bestimmt, mich in ein solches Geschöpf zu verwandeln? O Gott vergib mir!
Nicolae, komm schnell! ,
dachte ich verzweifelt.
Sie sind hier. Sie wollen mich holen.
Dracula antwortete nicht. Da erinnerte ich mich an seine Warnung, dass er heute weit weg sein würde, zudem in anderer Gestalt,
und dass er daher nicht in der Lage wäre, mit mir in Verbindung zu treten.
Dr. van Helsing erhob sich und schien den Kreis verlassen zu wollen, doch ich packte ihn bei der Hand und hielt ihn zurück.
»Nein! Gehen Sie nicht hinaus. Die Hostie beschützt uns. Hier sind Sie sicher.«
»Um Sie mache ich mir Sorgen«, erwiderte er.
»Sorgen um mich, Herr Professor?«, erwiderte ich traurig. »Ich bin schon beinahe eine der Ihren. Niemand auf der Welt kann
vor diesen Dreien sicherer sein als ich. Oh, wie schrecklich sie sind! Ich wünschte, sie gingen fort!«
Dr. van Helsing nahm ein Stück der Hostie und stand auf. »Sie können sich mir nicht nähern, wenn ich solche Waffen trage.«
Er schritt auf sie zu. Die drei Frauen zogen sich ein wenig zurück, höhnten aber weiter bedrohlich.
Plötzlich hörte ich ein lautes Kreischen und Flügelschlagen. Eine große schwarze Fledermaus tauchte aus dem Schneegestöber
auf und stieß flatternd und keifend auf die Eindringlinge nieder. Die drei Schreckensgestalten zischten und knurrten die Fledermaus
wütend an. Dann warfen sie mit Stöcken und Steinen nach ihr, doch die große Fledermaus wich jedem Wurfgeschoss mit hervorragender
Geschicklichkeit und unverminderter Geschwindigkeit aus und zog immer engere Kreise um die Drei. Endlich gaben sie klein bei,
und die drei Frauen verwandelten sich wieder in die Dunstgestalten |465| und verschmolzen mit dem Nebel und dem Schnee, um in Richtung auf die Burg davonzuwirbeln. Die Fledermaus lauerte noch eine
Weile in der Nachtluft und schien mich einen langen Augenblick hindurch mit ihren kleinen roten Augen anzustarren.
Dann verschwand auch sie im Nebel.
Als ich aufwachte, lag ich in einem warmen Nest aus Pelzdecken. Ich setzte mich auf und stellte fest, dass die Sonne bereits
hoch am Himmel stand, wenn sie auch von dunklen Wolken verdeckt war. Es war zwar kalt, aber der größte Teil des in der Nacht
gefallenen Schnees war bereits geschmolzen. Nur unter den Bäumen waren noch vereinzelte Flecken davon übrig. Fröstelnd zog
ich meinen Umhang fester um mich. Ich stellte fest, dass ich noch immer von dem Kreis aus Hostienstücken umgeben war. Unsere
Kochutensilien und anderen Vorräte
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